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Wolke 8...

Wolke 8...

Titel: Wolke 8...
Autoren: Monika Kunze
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war die Verbindung von Fulda nach M. noch mit starken Nebengeräuschen behaftet.
    Als ich mir endlich den Sinn seiner Worte zusammenreimen konnte, habe ich vor Glück fast den Hörer fallen gelassen. Ich spürte so einen dicken Kloß im Hals, dass ich nichts weiter sagen konnte als ein ungläubiges: „Waaas?!“
    Meine Gedanken überschlugen sich. Dann war er also endlich kräftig genug für eine Operation?
    Ich musste nach meinem eigenen Herzen fassen, diesem aufgeregten Ding im Zentrum unseres Seins. Als es wieder ruhiger schlug, brauchte ich nicht mehr lange zu überlegen.
    Ich musste zu ihm! Sofort!
    Erst warf ich nur das Nötigste in die Reisetasche, dann fiel mir ein, was ich inzwischen alles über Transplantationen gelesen hatte. Ich wollte mir nichts vormachen: Das Warten auf ein Spenderherz kann sehr, sehr lange dauern. Es konnte also nichts schaden, wenn ich etwas mehr Wechselwäsche und auch paar Pullis für kalte Tage einpackte.
    Nach einer langen Fahrt mit dem Auto fiel ich in einer kleinen Pension erschöpft aufs Bett.
    Doch schon eine Stunde später hielten wir uns glücklich in den Armen.
    „ Wir werden viel Geduld haben müssen“, sagte mein Mann mit schwacher, aber nicht hoffnungsloser Stimme ganz dicht an meinem Ohr. Ich konnte in dem Moment nicht sprechen, schluckte nur die Tränen herunter und nickte heftig.
    Wir genossen unser Zusammensein so gut es eben ging, bei schönem Wetter saßen wir draußen unter den alten Kastanien, manchmal gingen wir auch ein paar Schritte.
    Doch schon in den frühen Morgenstunden des dritten Tages traf die erlösende Nachricht ein: Eurotransplant, die europäische Koordinierungsstelle im niederländischen Leiden, hatte ein passendes Spenderherz gefunden. Ein junger Mann (19) aus Tübingen war mit seinem Motorrad tödlich verunglückt – und trug einen Spenderausweis in der Jackentasche.
    Was für den jungen Mann und seine Angehörigen so ein furchtbares Unglück war - sollte sich für meinen Mann als Segen erweisen!
    Ich wusste, dass jetzt jede Minute zählte.
    „ Die Nichtdurchblutungszeit des Spenderherzens hat ganze 169 Minuten betragen“, sagte der Professor, und ich beruhigte mich zusehends.
    Ich bat sogar darum, ihn selbst rasieren zu dürfen. Weil ich selbst im Gesundheitswesen tätig war, erlaubten mir die Ärzte, diesen Teil der Operationsvorbereitung zu übernehmen. Roland sollte meine Zuversicht spüren.
    „ Ich warte hier, bis du wieder aufwachst!“ sagte ich zu meinem Mann, als ich mit der Rasur fertig war und das Rasiermesser mit Zellstoff abwischte.
    Liebevoll drückte ich noch ein letztes Mal seine Hand.
    In den Augen meines Mannes glomm für einen Moment Hoffnung auf.
    „ Dann wird ja alles gut!“
    Mit diesen vertrauensvollen Worten auf den Lippen wurde mein Mann in den Operationssaal gerollt.
    Um elf Uhr war ihr Mann in die Narkose gesunken. Um zwölf Uhr begann Professor St. mit der Entnahme des kranken Herzens, um dreizehn Uhr landete der Hubschrauber, diesmal ein heller, kleiner, mit dem Spenderherzen im Kühlbehälter. Nach zwei Stunden und neunundvierzig Minuten war der Eingriff beendet.
    Ich habe mir das alles aufgeschrieben, damit ich es niemals vergesse.
    Aber wird denn überhaupt einer der Beteiligten diesen Tag jemals vergessen können?
    Danach folgten noch viele bange und durchwachte Stunden der Ungewissheit, in denen ich nicht wusste, ob mein Mann durchkommen würde oder nicht.
    Nachts, gegen drei Uhr, setzte seinen eigene Atmung wieder ein. Erst in diesem Moment hatte das Herz des Spenders in der Brust des Empfängers über die Herz-Lungen-Maschine gesiegt.
    Fortan ging es aufwärts mit Roland. Die Operation und auch die anschließende medizinische Nachsorge seien „wunderbar komplikationslos verlaufen“, schätzte der Professor ein.
    Aber ich musste nun wieder die Heimreise antreten. Schweren Herzens zwar, aber ich wusste ja auch, dass ich in Fulda nichts mehr für meinen Mann hätte tun können. Unserer Familie, unseren Freunden und den Arbeitskollegen wollte ich die guten Neuigkeiten auch nicht am Telefon erzählen.
    Eltern, Söhne, Schwiegertöchter und Enkelchen freuten sich mit uns, dass alles so gut abgelaufen war mit dieser komplizierten Operation. Auch meine Kolleginnen und Kollegen, meine Chefin – sie alle nahmen großen Anteil am Schicksal meines Mannes.
    Ich hatte alle zu meinem 50. Geburtstag eingeladen und erzählte voller Begeisterung von dem Wunder, das uns widerfahren war.
    Plötzlich ging die Tür auf,
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