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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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rübergestiegen.«
    »Gütiger Himmel.« Hunter schüttelte bewundernd den Kopf. »Wahrscheinlich war das die einzig logische Art und Weise, ins Haus zu kommen – oder?«
    »Ich musste einfach... ich muss noch ein paar Dinge erledigen.«

    »Verstehe. Übrigens wurde deine Hose etwas in Mitleidenschaft gezogen.«
    Ich beugte mich vor, um den Schaden zu begutachten und gleichzeitig darüber nachzudenken, wie ich meine nächste Frage formulieren sollte. »Äh... Hunter... hier ist sonst niemand anderes, oder?«
    Er lachte, vermied es aber, mich anzusehen. Nun schien ihm das Ganze doch etwas peinlich zu sein. »Wie bitte? Meinst du, ich verstecke jemanden im Schrank oder was? Nein, Abra, hier ist sonst niemand.« Er blickte endlich auf und schaute mich ernst an. »Tut mir leid, das mit dem Telefon. Ich habe angenommen, es wäre wieder einer dieser nervenden Werbeanrufe.« Er klopfte auf die Matratze neben sich. »Komm, setz dich zu mir.«
    »Ich muss meine Kreditkarten und Schecks als gestohlen melden.«
    »Das kannst du doch gleich machen. Jetzt komm erst mal zu mir. Ich sehe doch, wie aufgewühlt du bist.«
    Ich setzte mich neben ihn, und er nahm mich in die Arme. Er schien nicht einmal verschwitzt zu sein. In Hunters Familie entwickelte man bei weitem nicht so starke Körpergerüche wie in meiner. Während er mich an sich gedrückt hielt, sah ich, dass seine Tasche auf unserer Kommode lag. Visitenkarten, Wechselgeld, Dollarscheine und Zigaretten waren herausgerutscht und brachten meine ordentlich aufgereihten Parfümflakons und Schmuckkassetten durcheinander.
    »Geht es wieder besser, Cadabra?«
    Ich nickte, ohne mich von der Stelle zu rühren. »Hunter?« Wieder überlegte ich mir, wie ich meine nächste Frage formulieren sollte. »Liegt es an mir?«

    Ich merkte, wie sich sein Körper anspannte. Dann löste er sich von mir. »Es hat nichts mit dir zu tun, Abs. Ich bin nur... es waren schwierige zwei Monate.«
    In Wirklichkeit waren es drei Monate gewesen. Anfang Mai hatte ich auf unserer Chaiselongue aus Plastik gelegen, die wir seitlich auf unseren Balkon gezwängt hatten, und in einer Broschüre etwas über Block Island gelesen. Im Sommer gab es dort keine Autos, es war fast wie ein kleines Nantucket ganz in der Nähe. Mein praktisches Jahr am Institut sollte erst im Juli beginnen, und ich fragte Hunter, ob er Lust hätte, mit mir im Juni in den Urlaub zu fahren. Er klang unkonzentriert, als er mir antwortete. Er hätte gerade eine Idee für eine Story über ein mythisches Wesen in Rumänien gehabt.
    Grob übersetzt bedeutete das: Ich habe schon den Flug gebucht, und du wirst mich erst wiedersehen, wenn die letzten Blätter von den Bäumen fallen.
    Hunter hatte die vergangenen Jahre damit verbracht, Artikel für Zeitschriften wie Outside und Backpacker zu schreiben. Ich wusste, dass er ständig auf der Suche nach einer Geschichte war, die seiner journalistischen Karriere den nötigen Push gab, um einen Featureartikel in Vanity Fair, eine Absprache für ein Buch, einen Filmvertrag oder einen festen Auftrag als Verfasser einer Kolumne zu bekommen. Er brauchte nur noch einen Durchbruch – seinen persönlichen Mount Everest.
    Deshalb war Hunter auch so darauf versessen gewesen, den Sommer lieber mit seinem Englisch-Rumänisch-Wörterbuch als mit mir zu verbringen. Offenbar war die letzte europäische Wolfspopulation in Rumänien in Gefahr, endgültig ausgerottet zu werden. In Ceauşescus totalitärem
Regime hatte man sich nur um die nationalen Wälder und ihre Bewohner gekümmert, um das Ganze als Jagdgrund nutzen zu können. Die heutigen Rumänen kamen auf die Idee, reiche Amerikaner und Europäer in jene Gegenden zu locken, wo ihre Vorfahren noch Angst vor Trollen, Drachen und fleischfressenden Kreaturen gehabt hatten. Schließlich ging es hier um Transsylvanien, um das berühmte Land der Monster.
    Und es gab einige Leute, die gerne viel Geld dafür ausgaben, ein Monster zu sehen.
    Als die geschäftstüchtigen Rumänen ihre alten Baumbestände fällten und neue schicke Hotels errichteten, wurden die Wolfsbestände stetig kleiner. Und da Wölfe bei Touristenfamilien deutlich weniger beliebt sind als zum Beispiel Elche oder Adler, schreckten die Einheimischen auch nicht davor zurück, den jeweiligen Übeltäter zu töten, der ein Kalb oder ein Schaf gerissen hatte.
    Wenn der erlegte Wolf groß genug war, nannte man ihn dann stolz einen Werwolf.
    Es hörte sich wie eine überzeugende Story an, eine Geschichte mit

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