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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman
Autoren: Alisa Sheckley
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fast riechen, nicht wahr?«

    Ich berührte sein Gesicht, das von der Wintersonne noch brauner geworden war. Der Schock, den diese Berührung in mir auslöste, schoss durch meine Arme. »Und was passiert im Frühling?«, fragte ich ein wenig atemlos.
    Red schlang die Arme um mich und küsste mich so leidenschaftlich, dass meine Zähne schmerzten. Dann löste er sich und lachte über den Ausdruck in meinem Gesicht, nur um mich gleich schon wieder zu küssen. Diesmal war es ein noch heftigerer Kuss, bei dem er meinen Hinterkopf mit seiner Hand umschloss.
    »Hör zu. Wie klingt das in deinen Ohren? Komm und leb mit mir, sei meine Geliebte, und wenn du nicht schlafen kannst, dann gehen wir bis zum Morgengrauen Schafe jagen. Keine einsamen Nächte mehr. Was meinst du?«
    »Ich habe mich bisher in puncto Männer ziemlich dämlich verhalten.«
    »Und ich in puncto Frauen. Ich bin immer denen hinterher, die am schnellsten weggerannt sind.«
    »Ich will aber nicht wegrennen.«
    »Natürlich willst du das. Aber du willst dich auch fangen lassen.«
    Er fasste mich an den Handgelenken an und hielt sie hinter meinem Rücken fest, während wir uns erneut küssten. Deutlich konnte ich das wilde Pochen seines Herzens an meiner Brust spüren.
    »Bist du bereit für ein kleines Abenteuer, Doc?«
    »Was für ein Abenteuer?«
    »Wie wäre es zum Beispiel mit einem Abenteuer, bei dem du dich auf einem Motorrad an mich klammerst? Wir verbringen eine Weile damit, den Westen zu erkunden. Ich zeige dir, wo ich in Texas aufgewachsen bin. Und wenn es
dann wirklich wärmer wird, machen wir uns auf den Weg nach Kanada, wo mein Großvater gelebt hat.«
    »Und dann?«
    Red fuhr zärtlich mit dem Daumen über meinen Mund. »Und dann kehren wir nach Hause zurück.« Er küsste mich erneut, und diesmal fand seine Zunge die meine.
    Vielleicht gab es irgendwo zwischen völliger Selbstaufgabe und vollkommener Unabhängigkeit doch einen Mittelweg für mich. Vielleicht fand ich eine Möglichkeit, mir eine Karriere als Tierärztin aufzubauen, die mich Red näherbringen und ihn nicht weiter von mir entfernen würde.
    Vielleicht dachte ich auch nicht mehr rational und logisch, sondern ließ mich nur noch von meinen Gefühlen leiten.
    Aber wenn man ehrlich war, so stellte Manhattan doch nicht die richtige Umgebung für ein Wesen auf vier Beinen dar. Und schon gar nicht für ein so ungebändigtes Tier wie einen Wolf.
    Ich löste mich von Red, um die Worte zu formulieren, die ihm zeigten, dass alle meine Antworten auf seine Fragen »Ja« hießen.
    Aber Red knurrte nun und umkreiste mich gierig. Ich gab ein nervöses Lachen von mir.
    »Was soll ich jetzt tun?«, fragte ich etwas hilflos. »Oh, Großmutter, was hast du für große Zähne!«
    Red lächelte, ohne zu antworten. Ich verspürte tatsächlich etwas Angst. Zum ersten Mal erlebte ich Red so, wie er war – ohne Vorsicht, ohne Zurückhaltung. Er war gar nicht mehr sanft und rücksichtsvoll, weil ich meine Metamorphose zum ersten Mal erlebte. Und auch nicht mehr verhalten, weil er befürchtete, mich durch seine Intensität
erschrecken zu können. Nein, er war ein Mann, der sich seiner und meiner ganz sicher war, und während er weiterhin um mich kreiste, spürte ich, wie sich die Machtverhältnisse zwischen uns verschoben und neu anordneten.
    Ich kannte weder den Namen dieses Spiels noch seine Regeln. In all den Jahren, in denen Hunter und ich miteinander schliefen, hatten wir uns nie ganz aufeinander eingelassen. Es war irgendwie klar, dass der eine diese Berührung mochte, aber eine andere nicht, dass ich ihn hier, aber nicht dort anfassen durfte. Wir waren wie zwei Menschen, die jedes Jahr zur selben Zeit an denselben Ort in die Ferien fahren, um dort im selben Hotel zu übernachten und dieselben Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Als Hunter aus Rumänien zurückgekehrt war, hatte er begonnen, diese Grenzen hier und da zu überschreiten. Aber nur zu einem bestimmten Teil. Vielleicht hatte er geahnt, dass er jene ausgeprägte Grausamkeit in sich entdeckt hätte, wenn er sich zu weit vorgewagt hätte.
    Aber das hier war etwas ganz anderes. Red war anders. Ich wich nicht zurück, als er seine Kreise immer enger um mich zog, sondern zwang mich, den Blickkontakt zu wahren – diese urtümlichste aller Intimitäten, die tiefste animalische Begierden wecken kann.
    Ein Schauder lief durch meinen Körper. Ich wusste, was er bedeutete. Er war ein Zeichen für die uralte Sehnsucht danach – und zugleich die Angst
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