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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman
Autoren: Alisa Sheckley
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im Leben hat man immer das Gefühl, sich auch selbst stark geändert zu haben. Vielleicht hat man das ja auch getan. Aber nach einer Weile kehrt dann doch wieder der Alltag ein. Man denkt darüber nach, ob man eine neue Wintermütze bräuchte – oder doch nicht. Man vergisst nach und nach, dass man beinahe seine Mutter verloren hätte, obwohl noch immer eine dünne Narbe an ihrem Handgelenk zu sehen ist. Irgendwann kommt dann der erste Streit, weil ihr nicht gefällt, wie man die Haare trägt.
    Dann erinnert man sich daran, dass der eigene Mann und seine neue Freundin fast alle Tiere getötet und sie dafür ein übernatürliches Jahr auf Bewährung bekommen haben – was bedeutete, dass sie ein Jahr lang ohne Aufsicht nicht ihren Pelz und ihre scharfen Zähne zeigen dürfen. Sheriff Emmet stellte sich als ein barscher, wortkarger Mann von mehr als zwei Metern heraus. Er hatte Hände in der Größe von Suppentellern und eine scharf gebogene Nase. Als er mir die Hand gab, sah ich den Schmutz, der in den tiefen Furchen seiner harten, trockenen Haut klebte, und als er seinen Cowboyhut zog, entblößte er seltsame Symbole, die auf seine Stirn eintätowiert waren.

    Ich fragte Red, ob die Bewohner den Sheriff von Northside für ungewöhnlich hielten. Er lächelte geheimnisvoll und erklärte mir, dass jeder, der den Sheriff kennenlernte, bereits so einiges an Ungewöhnlichem erlebt hatte und sich nur noch über wenig wunderte.
    Zuerst fand ich, dass der Sheriff Magda und Hunter zu leicht davonkommen ließ. Doch etwas an Emmet machte es schwer, ihm zu widersprechen. Er erklärte, dass die beiden gemeinnützige Dienste verrichten mussten. In ihrem Fall hieß das, sich um die Grenzlinien und Bezirke von Northside zu kümmern. Mir kam das nicht gerade wie eine harte Strafe vor. Aber zumindest mussten sie bei der Arbeit hässliche orangefarbene Overalls tragen.
    Als ich am letzten Tag des Jahres aufwachte, fühlte ich mich erschöpft und seltsam schlecht gelaunt. Ich hatte einen Krampf im Bauch. Mein monatlicher Wandel stand kurz bevor. Doch da ich mich in Pleasantvale und nicht in Northside befand, war das Ziehen, das ich verspürte, nicht so stark wie beim ersten Mal.
    Mein Vater war einige Tage zuvor wieder nach Hause zurückgefahren. Er war extra aus Florida gekommen – braungebrannt und so dünn wie immer -, um mit uns gemeinsam unser Überleben zu feiern. Eigentlich hatte er seine Freundin mitbringen wollen, war dann aber bereit gewesen, sie aus Rücksicht auf meine Mutter, die noch immer um ihre Tiere trauerte, zu Hause zu lassen.
    »Irgendwann wird es ihr wieder bessergehen, Doc«, versicherte mir Red, als wir zu Silvester alle vier zusammensaßen. Um Mitternacht rettete er meine Mutter vor meinem Vater und führte sie unter den Mistelzweig, wo er ihr einen sanften Kuss auf die Wange drückte. Er flüsterte ihr etwas
ins Ohr, das sie zu überraschen schien. Nun wandte sie sich mir zu. Selbst aus der Ferne konnte ich sehen, wie ihre Augen leuchteten. Da fast Vollmond war, vermochte ich mit Hilfe meines geschärften Gehörs wahrzunehmen, was sie sagte.
    »Dann war dein Biss also nicht ansteckend. Aber der von Abra könnte es sein?«
    Red antwortete ihr flüsternd, und zum ersten Mal seit dem Überfall zeigte sich das altbekannte kokette Blitzen in den Augen meiner Mutter. Sie hakte sich bei meinem Liebsten unter und ging mit ihm zum Tisch zurück, der sich vor Fleisch, Gemüse und Kuchen fast durchbog. Ich hörte ein Geräusch und sah den Schatten eines großen gelockten Hundes vorbeirennen. Es war die Pudeldame Morgan, die aus der Küche ausgebrochen war und sich schnurstracks auf den Rinderbraten stürzen wollte. Red bedachte sie mit einem scharfen Blick, und Morgan war klug genug, ihr Unterfangen sofort aufzugeben. Red mochte vielleicht nicht der größte Wolf in der Gegend sein, aber bei uns gab es keinen imposanteren.
    Nur mich.
    Ich merkte, dass Red von hinten zu mir trat. In der Hand hielt er einen Teller, der mit Essen voll belegt war. »Wie geht es dir, Doc?«
    Ich lehnte mich an ihn und ließ mir ein Stückchen Huhn von ihm in den Mund schieben. Während der Weihnachtszeit fand ich es schon immer schwer, sich rein vegetarisch zu ernähren. Vor allem seitdem diese Tage auch noch mit dem Mondzyklus zusammenfielen und sich die Wolfshormone in meinem Körper austobten.
    Ich kaute, während mich Red lächelnd ansah. »Willst du
vielleicht kurz mal mit ins andere Zimmer kommen? Ich möchte ungestört mit dir
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