Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman
Autoren: Alisa Sheckley
Vom Netzwerk:
während ich Red meine Hand ins Maul schob, um ihn aufzuhalten. Für einen Moment schienen wir alle zu erstarren: meine Mutter still und erschreckend kalt unter mir, Red als achtzig Kilo schwerer Wolf auf mir. Dann drehte er den Kopf, um sich meinem Griff zu entwinden, und ich verpasste ihm einen solchen Schlag auf die Nase, dass er zur Seite flog und auf allen vieren neben dem Bett landete.
    Für einen Augenblick befürchtete ich, dass er sich gleich auf mich stürzte. Doch seine Augen signalisierten mir etwas anderes. Er erkannte mich zwar nicht, ihm fehlte aber die Bösartigkeit. Er war wie ein Hund, der eine bestimmte Fährte aufgenommen hatte, vor Aufregung zitterte und nicht mehr in der Lage war, etwas anderes wahrzunehmen.
    In diesem Fall führte ihn die Fährte direkt zu meiner Mutter.
    Ich blickte Red direkt in die Augen, um so seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Da hörte ich die beiden anderen hinter mir.
    »Schau nur, wie süß!«, sagte Hunter. Ich drehte mich zu
ihm um. Sein Mund und sein Bart waren voller Blut. »Der kleine Red und die Schwiegermama.«
    Magda, die noch immer das Kleid meiner Mutter trug, lachte auf diese schrecklich künstliche Art, wie das manche Frauen in Gegenwart von Männern tun. Dann wandte sie sich uns zu, und ich bemerkte, dass sie etwas in den Armen hielt, was zur Hälfte unter ihrem üppigen Busen verborgen war.
    Ich hielt Red am Nacken fest. Doch seine Aufmerksamkeit war schon auf ein neues Opfer gerichtet. Erst jetzt sah ich, was Magda in den Armen hielt. Es war der Chihuahua Pimpernell, der sich wie ein Säugling an die Wolfsfrau schmiegte. Froh über die Ablenkung warf ich Red das Kleid meiner Mutter über. Er zitterte und verwandelte sich wieder in einen Mann. Schlotternd und bleicher als zuvor blieb er zu meinen Füßen hocken – ein geschlagener Mann in einem weiten Paisleykleid.
    »Red? Alles in Ordnung?« Als ich in seine geweiteten Pupillen blickte, konnte ich den wölfischen Schimmer darin erkennen.
    »Nein, nichts ist in Ordnung, Abs«, erklärte Hunter und grinste. »Zum einen sieht er wie ein lausiger Penner aus, und zum anderen hat er Hunger. Er giert nur so nach Blut.«
    »Warum tust du das, Hunter? Wenn du mich verlassen wolltest, warum bist du dann nicht einfach gegangen? Was nützt es, so grausam zu sein?«
    Er sah mich kalt an. »Abs, du hast die letzten zehn Jahre damit verbracht, dein Opfergetue zu vervollkommnen. Aber jetzt funktioniert das nicht mehr. Meine Zeit mit Magda hat mir gezeigt, welches Spiel du mit mir treibst. Du hast immer nur so getan, als ob du unabhängig wärst
und nichts gegen meine Arbeit hättest. Ich habe nie verstanden, warum ich latent immer unter Schuldgefühlen gelitten habe. In Wahrheit hast du nur versucht, mich festzubinden, mich zu einem Leben zu zwingen, das ich hasse. Selbst als ich dir offen erklärt habe, dass ich so nicht länger leben kann, hast du dich an mich geklammert und es mir unmöglich gemacht, einen klaren Schnitt zu setzen, ohne wie ein Arschloch dazustehen. Doch das reicht mir jetzt.«
    Deutlich konnte ich Magda aus diesen Worten heraushören. Doch es war auch etwas Wahres an dem, was er mir vorwarf. Zum ersten Mal in unserer Beziehung begriff ich, dass Hunter von einer ätzenden Wut befallen war, die jegliche Gefühle, die er einmal für mich empfunden haben mochte, nach und nach weggefressen hatte.
    »Dann hast du also jetzt nichts mehr dagegen, als Arschloch dazustehen. Gut. Ausgezeichnet, Hunter. Aber wie willst du damit umgehen, zum Mörder zu werden?«
    »Sei doch nicht so melodramatisch«, mischte sich Magda ein und schüttelte angewidert den Kopf. Für einen Augenblick wirkte sie fast wie eine respektable Wissenschaftlerin. »So weit ich sehen kann, befindet sich nur deine Mutter in Gefahr. Und der Einzige, der sie umbringen möchte, ist ja wohl dein kleiner Freund hier.«
    Ich bemerkte, dass Red aufgestanden war und angefangen hatte, am verletzten Handgelenk meiner Mutter interessiert zu schnüffeln.
    »Ihr habt die Hunde und die Katzen umgebracht. Wir haben verstanden, was ihr uns damit zeigen wolltet. Jetzt könnt ihr zumindest meine Mutter aus dem Spiel lassen.«
    »Wir haben die Hunde freigelassen, und sie haben uns
angegriffen. Das war also reine Notwehr. Was die Katzen betrifft...« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich war noch nie eine große Katzenfreundin.«
    »Ihr seid also gewillt, einen Mord in Kauf zu nehmen, ja sogar Beihilfe zu leisten?« Ich versuchte nicht panisch zu klingen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher