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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman
Autoren: Alisa Sheckley
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meiner Mutter entfernt war. Er trug ihr weites Paisley-Kleid und ein Tuch, das er sich um die Stirn gewickelt hatte. Sonst hatte er nichts an.
    »Mom! Red! Mein Gott, was ist...« Ich vermochte kaum weiterzusprechen.
    »Abra.« Die Stimme meiner Mutter klang so schwach, dass sie kaum wiederzuerkennen war. »Er hat es versucht. Er hat versucht, mir zu helfen.«
    Ich wandte mich an Red. »Sie steht unter Schock. Ich muss sie sofort hier wegbringen. Hilf mir.«
    Red schüttelte den Kopf, als würde er eine Fliege verscheuchen. »Doc, sie hat mir meine Kleidung weggenommen. Das ganze Haus stinkt nach Blut, und ich habe mich heute Nacht bereits zweimal verwandelt.«
    »Aber du hast mir doch gesagt, dass du ein Metamorph bist. Das heißt, du kannst deine Verwandlungen kontrollieren. Ich brauche dich, Red.«
    »Er kann dir nicht helfen.«
    Ich drehte mich zu meiner Mutter um. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, dass sie weder übertrieb noch
wie sonst üblich die Hysterische markierte. Besorgt legte ich den Finger auf ihren sehr schwachen Puls. »Wie meinst du das, Mom?«, fragte ich.
    »Er ist weder mein Geliebter noch mein Verwandter. Im Augenblick stelle ich für ihn nur Frischfleisch dar. Wenn er aufsteht, wirst du gegen ihn kämpfen müssen, damit er mich nicht umbringt.«
    Ich sah Red an, der bleich und zittrig wie ein Junkie wirkte. »Stimmt das?«
    Er lächelte schwach, und für einen Moment blitzte fast sein typisch reumütiges Grinsen auf. »Deine Mutter hat sich gut auf ihre Rollen vorbereitet. Sie weiß einiges über Wölfe und Männer.«
    »Aber du hast doch behauptet, du wärst ein Gestaltwandler und dass der Mond keinen Einfluss auf dich hätte. Ich verstehe das nicht!«
    Meine Mutter hob langsam ihre unverletzte Hand. Es war deutlich, wie sehr sie allein diese Bewegung anstrengte. »Meine Tochter«, sagte sie matt, »glaubt nicht an halbe Wahrheiten.«
    Red lachte laut auf. Es war ein heiseres Lachen, das sich in einen trockenen Husten verwandelte. »Sie haben mir meine Kleider abgenommen und mich am Blut deiner Mutter lecken lassen, Doc. Dann haben sie uns hier zusammen eingesperrt. Ich kann mich eine Weile recht gut beherrschen, aber vollkommen bin ich nicht. Verdammt«, sagte er und schüttelte sich. »Es ist ganz schön heiß hier.«
    Voller Entsetzen beobachtete ich, wie er begann, sich das Kleid von den Schultern zu ziehen. »Lass das an! Hörst du mich, Red? Hör auf!«
    »Ich verbrenne.«

    »Red, zieh das nicht aus! Sonst verwandelst du dich.« Ich riss die Tür meines Kinderschranks auf und wühlte darin herum. Zuerst durchsuchte ich eine Tasche mit altem Spielzeug, schleuderte dann ein Poster von Duran Duran beiseite und schließlich ein Paar hochhackige Stiefel, die ich nie getragen hatte.
    »Abra«, presste meine Mutter mühsam heraus und versuchte zu lächeln. »Jetzt ist wirklich nicht die passende Zeit, deinen Schrank aufzuräumen.«
    »Mein Gott, Mom! Was denkst du von mir?« Endlich war ich bis zu meinem kleinen Tresor vorgestoßen und gab die Zahlenkombination ein. »Ich suche nur nach dem Telazol, das ich hier versteckt habe.« Mit zitternden Fingern begann ich das starke Sedativum zusammenzumischen.
    »Das ist doch wieder typisch. Wenn du nicht eine solche dämliche Drogenphobie hättest, müsstest du jetzt auch nicht so viel Zeit damit verschwenden, das Medikament zusammenzumischen... Abra, dein Freund ist schon wieder dabei, seine Kleidung auszuziehen.«
    »Red, bitte!« Ich drehte mich zu ihm um, wobei ich mit einer Hand die Sedativmischung schüttelte und gleichzeitig versuchte, mit meinen Zähnen die Kappe von einer Injektionsnadel zu zerren.
    »Keine Angst. Jetzt geht es mir besser.« Halbnackt und haariger, als ich ihn in Erinnerung hatte, saß Red da und hechelte wie ein Hund. »Ich konnte schon einen Moment lang gar nicht mehr atmen. Weißt du was? Ich öffne einfach das Fenster einen Spalt breit.«
    »Nein!«, rief meine Mutter. »Abra, du musst ihn davon abhalten!«
    Doch es war schon zu spät. Mir blieb kaum Zeit, die kalte
Morgenluft einzuatmen, als ich den zunehmenden Mond am heller werdenden Himmel sah. Verdammt – Mondlicht! Ich drehte mich zu meiner Mutter um und wollte ihr etwas zurufen, doch die Worte blieben mir im Halse stecken.
    Red stürzte sich bereits auf sie. Und seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen.

38
    Voller Panick warf ich mich zwischen die beiden, wobei ich in der Hast die Spritze beiseite schleuderte. Ich verfluchte meine Dummheit,
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