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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman
Autoren: Alisa Sheckley
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an. Offenbar hatte er meine Nachricht nicht erhalten. »Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Aber mir wurde heute früh in der U-Bahn meine Handtasche gestohlen.«
    Lilliana, meine engste Vertraute im Team, lächelte mir mitfühlend zu, während sich der humorlose Ofer wie ein besserwisserischer Gnom die Brille auf der Nase hochschob. Dr. Knox musterte mich einen Moment lang. Dabei streichelte er dem Kater den Bauch und testete dabei automatisch die Dehnbarkeit der Haut, die Größe der Milz und den Darmverlauf.
    Während er beschrieb, was er gerade tat, beobachtete Sam ihn aufmerksam, als warte er nur darauf, dass der ältere Mann einen Fehler beging. Obwohl beide dieselben weißen Mäntel des Instituts und khakifarbene Hosen trugen und Sam etwa fünfzehn Zentimeter über Dr. Knox hinausragte, wäre auch einem Außenstehenden sofort klar gewesen, welcher Mann hier das Sagen hatte.

    Seit einiger Zeit machten sich allerdings verschiedene Gerüchte breit, so dass wir uns fragten, ob das noch lange so bleiben würde. Dr. Malachy Knox, auch bekannt als Mad Mal, galt als Rockstar des Instituts. Er war ein brillanter Wissenschaftler mit dem Ruf, nicht engstirnig zu sein und immer wieder auf unorthodoxe Methoden zurückzugreifen. Während meiner Ausbildung an der Uni hatte ich mich unter anderem mit seinen berüchtigten Experimenten beschäftigt, die Gehirne von Rhesusaffen zu verpflanzen, und hatte damals zwischen Entsetzen und Bewunderung für seine Arbeit geschwankt.
    In jüngerer Zeit hatte er an einem Projekt mitgearbeitet, bei dem der sogenannte Lykanthropievirus isoliert werden konnte. Es handelte sich um eine seltene Krankheit, bei der sich die Zellen des Erkrankten wie Embryo- oder Stammzellen verhielten, was zu einer radikalen Gestaltund Funktionsveränderung führen konnte. Trotz des Namens verwandelte sich der Befallene allerdings in keinen Wolf – zumindest nicht soweit wir das wussten. Dr. Knox erklärte uns nur, dass sich der Virus auf verschiedene Weise manifestierte und die DNS des Canis zu den plastischsten des Tierreichs gehörte. Er wies uns auch gerne darauf hin, dass Menschen und Wölfe in enger Verbindung zueinander gestanden hatten, als die menschliche DNS noch nicht eindeutig festgelegt gewesen war.
    Ich war mir nicht sicher, was Malachy Knox angestellt hatte, um seine Position in der Forschungsgruppe zu verlieren und die wesentlich bescheidenere Stelle als »Hüter der Jungtiere« anzutreten, wie er das nannte. Was immer es auch gewesen sein mochte – es hatte jedenfalls sowohl seine Gesundheit als auch seine Karriere empfindlich gedämpft.

    Unter seinem wilden schwarzen Lockenkopf zeigte sich sein Gesicht meist bleich und eingefallen. Wenn seine Handgelenke unter dem Labormantel hervorblitzten, schockierten sie durch ihre fast skelettartige Dürre. Ich wusste aus sicherer Quelle, dass er sechsundvierzig Jahre alt war, doch er wirkte mindestens um zehn Jahre älter.
    »Nun, Ms. Barrow«, sagte er und beförderte mich damit in die Gegenwart zurück. »Ich nehme an, dass Ihr Desinteresse an unserem Patienten auf Ihr Erlebnis in den Eingeweiden unserer Stadt zurückzuführen ist. Natürlich könnte es auch sein, dass es etwas mit der Rückkehr Ihres Mannes zu tun hat. Er war recht lange in Rumänien, um sich dort mit den Unwölfen auseinanderzusetzen, wenn ich mich nicht irre.«
    Eines war klar: Worunter Malachy Knox auch immer leiden mochre – seiner Gerissenheit tat es jedenfalls keinen Abbruch. Offenbar hatte er meine Nachricht also doch erhalten. Er wollte mich nur ein wenig verunsichern, wie er das gerne mit seinen Studenten tat.
    »Stimmt«, erwiderte ich. »Hunter hat sich mit den Geschichten beschäftigt, die sich um die sogenannten Riesenwölfe ranken.«
    »Entschuldigung, wenn ich mich einmische«, meinte Ofer, wobei er keineswegs so klang, als ob es ihm leidtäte. »Aber was hat die Tatsache, dass ihr Mann seine Zeit mit der Suche nach Vampiren in Transsylvanien verschwendet, mit uns hier zu tun? Sollten wir uns nicht lieber auf den Patienten konzentrieren?« Er zeigte mit einem seiner Stumpenfinger auf den regungslosen Kater, der inzwischen mit glasigen Augen auf dem Untersuchungstisch lag.
    »Keine Vampire, Ofer – Lykanthropen.« Dr. Knox schrieb
das Wort auf die weiße Tafel, die hinter ihm stand. »Auch wenn viele das griechische vrykolakas mit dem slawischen vârcolac verwechseln, stellt das Erstere doch eine Art untotes Wesen dar, einem Vampir nicht unähnlich,
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