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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman
Autoren: Alisa Sheckley
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weshalb Sie zum Beispiel Lilliana gewählt haben. Sie ist nicht einmal Tiermedizinerin.«
    Lilliana war als Hospitantin ausgewählt worden, obwohl sie bis dahin ausschließlich als Sozialarbeiterin für das Institut tätig gewesen war – eine Tatsache, die Sam, Ofer und ich etwas eigenartig gefunden hatten. Wir waren
immer davon ausgegangen, dass Sozialarbeiter dafür da waren, die Besitzer unserer Patienten davon abzuhalten, Fragen zu stellen, die niemand beantworten konnte, und dabei behilflich zu sein, mit ihrer Verwirrung oder auch Trauer umzugehen. Sie gehörten normalerweise nicht zum medizinischen Team und hatten auch keine Entscheidungen zu treffen. Mad Mal war zwar dafür bekannt, unorthodoxe Wege zu beschreiten, aber insgeheim fragte ich mich doch, ob er Lilliana nicht nur deshalb gewählt hatte, weil er einfach etwas Ungewöhnliches tun und einen anderen vor den Kopf stoßen wollte.
    Trotzdem bedauerte ich es, meinen Mund aufgemacht zu haben. Lilliana war brillant – und meine Freundin. Außerdem hatte sie uns schon mehrmals geholfen, kluge Entscheidungen zu treffen. Sie besaß ein gutes Gespür dafür, wie ein Tierbesitzer reagieren würde, so dass wir uns darauf vorbereiten und dementsprechend handeln konnten. Dennoch wollte ich wissen, ob mein Stolz, es in Malachy Knox’ Team geschafft zu haben, völlig ungerechtfertigt gewesen war.
    »Ms. Jones hat einen Abschluss in sozialer Neurowissenschaft und kennt sich ausgezeichnet mit dem Facial Action Coding System aus. Außerdem«, fügte Dr. Knox mit einem trockenen Lächeln hinzu, »erinnere ich mich vage daran, dass sie ziemlich überzeugend wirkte, als ich damals nicht so ganz in Form war.«
    »Sie meinten, ich würde Ihre fehlenden sozialen Umgangsformen wettmachen«, warf Lilliana ein und lächelte freundlich in die Runde.
    Malachy Knox rieb sich das Kinn, während er nachdachte. »Durchaus denkbar. Und natürlich ist es auch ästhetisch
eine Freude, Sie anzusehen. Das mag unbewusst ebenfalls eine Rolle gespielt haben.« Lilliana hatte mir einmal erzählt, dass ihre Mutter Russin und ihr Vater Äthiopier war. Ich wusste zwar nicht, wie ihre Eltern aussahen, aber sie selbst besaß jene Art von schlanker, großäugiger Schönheit, die sowohl Frauen als auch Männer anziehend fanden.
    Sam räusperte sich. »Und weshalb haben Sie mich ausgewählt?«
    »Ja, weshalb eigentlich?«, erwiderte Knox und machte sich nicht einmal die Mühe, in Sams Richtung zu blicken. Sams Mutter besaß eine Fluglinie. Am Institut wurde gemunkelt, dass sie Stiftungen, die dem Auswahlkomitee des Instituts am Herzen lagen, viel Geld gespendet hatte.
    »Nun aber wieder zu den Wölfen: Unser Hybride hat uns ziemlich auf Trab gehalten, während Sie nicht da waren, Ms. Barrow.«
    Ich brauchte einen Moment, um diesem abrupten Themenwechsel folgen zu können. Zwei Tage zuvor hatte eine ziemlich hart wirkende Blondine mit Biker-Tätowierungen einen sehr nervösen jungen Hund ins Institut gebracht. Sie war in New York zu Besuch, und ihre Hündin Pia war im Park von einem Pitbull Terrier angegriffen worden.
    Ich hatte mir die Verletzungen an Pias Pfote angesehen und die Frau gefragt, ob ihre Hündin gegen Tollwut geimpft sei. Pia sah so aus, als ob sie mindestens zur Hälfte von einem Wolf abstammte. Es galt als unsicher, ob eine Tollwutimpfung bei solchen Mischlingen überhaupt sinnvoll war. Ehe die Bikerlady antwortete, erklärte ich ihr, dass zudem jeder amerikanische Bundesstaat ein anderes Gesetz für die Haltung von Wolfshybriden hatte. In New York galten sie
zum Beispiel als gefährliche Wildtiere und waren dementsprechend offiziell nicht erlaubt.
    Pias Besitzerin wurde sichtlich nervös, als sie das hörte. Vermutlich hätte sie ihren Hund am liebsten wieder mitgenommen. Doch als ich den Bauch des Tieres abtastete, zuckte dieses zusammen und jaulte jämmerlich auf. Der Frau blieb nichts anderes übrig, als die Hündin über Nacht bei uns zu lassen. Inzwischen waren jedoch zwei Tage vergangen, und sie war nicht wieder aufgetaucht. Sie hatte auch keine Kontaktadresse oder Telefonnummer hinterlassen.
    Da unser tiermedizinisches Institut als Lehrkrankenhaus fungierte, nahmen viele an, dass wir weniger als andere Veterinäre verlangten. Doch dem war nicht so. Falls die Bikerlady das erfahren hatte und nicht genügend Geld besaß, um die Behandlung zu bezahlen, würde sie Pia vielleicht zurücklassen, was für den Hund eine Katastrophe hätte bedeuten können. Denn ein Wolfshybride war
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