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Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Titel: Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten
Autoren: Lori Handeland
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auch.“
    Ich trat an den Waldrand. Zu viel Gras, als dass man irgendwelche Fußabdrücke erkennen konnte. Ich entdeckte ein paar vereinzelte Vertiefungen, doch konnten die von allem Möglichen verursacht worden sein.
    Erst der verschwundene Wolf, jetzt der verschwundene Mann. Bestand da ein Zusammenhang?
    „Und ob“, murmelte ich.
    „Grace?“
    Ich führte mal wieder Selbstgespräche. Menschen, die allein leben, neigen dazu. Ich sollte mir das unbedingt abgewöhnen, doch war fraglich, ob es mir gelingen würde.
    „Nicht wichtig“, brummte ich. „Wie hast du mich gefunden?“
    „Notruf aus einer Telefonzelle. Wahrscheinlich die Person, die dich angefahren hat.“
    „Dieser Penner“, presste ich hervor, obwohl ich froh war, dass jemand die Polizei verständigt hatte. „Ich fürchte, du wirst mich nach Hause fahren müssen.“
    „Ich bringe dich ins Krankenhaus.“
    „Nein, das tust du nicht.“
    „Du bist voller Blut.“
    „Deshalb will ich meine Uniform wechseln, bevor ich wieder rausgehe.“
    „Du wirst nicht wieder rausgehen. Nicht heute Nacht.“
    „Du scheinst dem Irrglauben zu unterliegen, mein Boss zu sein“, fuhr ich ihn an.
    Cals Lippen wurden schmal, doch als er sprach, war er die Ruhe selbst. So viel zur Geduld eines Heiligen. „Du kannst nicht blindlings in der Gegend herumfahren, vor allem nicht in diesem Chaos, solange du benommen bist. Nimm dir zumindest die restliche Nacht frei.“ Er zeigte mit dem Daumen zu meinem demolierten Streifenwagen. „Du wirst sowieso Probleme haben, das Ding wieder zum Laufen zu bringen.“
    „Ich besitze auch noch ein privates Auto, Cal.“
    Er murmelte etwas, von dem ich instinktiv wusste, dass ich es nicht hören wollte. Cal versuchte nur, mich zu beschützen, allerdings war ich nicht besonders gut darin, mich beschützen zu lassen.
    „Bring mich heim“, befahl ich.
    Die kurze Fahrt zu meinem Haus verlief in frostigem Schweigen. Als ich versuchte, aus dem Wagen zu klettern, pochte mein Kopf so heftig, dass sich mir der Magen umdrehte.
    Seufzend guckte ich Cal an. „Na schön, du hast gewonnen. Ich werde zu Bett gehen, aber ruf mich an, falls irgendein Ernstfall eintritt.“
    Seinem vage sarkastischen Salut entnahm ich, dass es nichts geben konnte, das Cal als ernst genug erachten würde, um mich in dieser Nacht zu wecken.
    Ich zögerte. Mein Vater hatte nur selten Verantwortung delegiert. Wäre er jetzt hier, hätte er verächtlich geschnaubt und mich ein Mädchen genannt. In meiner Familie die ultimative Beleidigung.
    „Brauchst du Hilfe beim Reingehen?“, erkundigte Cal sich.
    „Nicht mehr, seit die Bürgermeisterin und ich uns mit sechzehn einen Karton billigen Fusel hinter die Binde gekippt haben und ich anschließend drei Tage lang über der Kloschüssel hing.“
    „Ihr beide müsst echte Schätzchen gewesen sein.“
    „Oh ja, wir waren große Klasse.“
    Sobald ich es auf die Veranda geschafft hatte, hob ich die Hand, woraufhin Cal den Wagen wendete und zurück zur Arbeit fuhr.
    Ich war voller Schlamm, voller Blut; meine Uniform war so viele Male nass geworden und stellenweise wieder getrocknet, dass sie sich steif und unbehaglich anfühlte. Meine Haare hatten sich aus ihrem Zopf gelöst und peitschten wie drahtige Heubüschel gegen meinen Nacken.
    Eine lange, heiße Dusche spülte die Starre, den Matsch und das Blut von meinem Körper und Gesicht. Ich nahm einen Beutel Eis mit ins Bett. Auch das nicht zum ersten Mal.
    Ich stellte den Wecker auf 3:00 Uhr früh und wurde zum Glück mühelos wach, als er klingelte. In dem Eisbeutel war nur noch Wasser. Ich warf ihn auf den Boden und schlief weiter.
    Ich träumte von Blitzen und Vögeln, die in einem Glaskäfig eingesperrt waren, sodass ihr panisches Flügelschlagen wie fernes Donnergrollen klang. Ich wurde sofort hellwach, als mir dämmerte, was das seltsame Geräusch vergangene Nacht im Wald gewesen sein musste.
    „Der Flügelschlag eines wirklich großen Vogels.“ Ich schüttelte den Kopf und wurde mit einem dumpfen Schmerz hinter meinen geschwollenen Augen bestraft.
    Meine Gehirnerschütterung war schlimmer, als ich angenommen hatte. Ich hatte den Wind gehört, vielleicht den Donner. Es gab keinen Vogel, der groß genug war, um dieses Geräusch zu erzeugen, das die Erde, die Bäume, die ganze Atmosphäre hatte erzittern lassen.
    Natürlich gab es in Georgia auch keine Wölfe, trotzdem hatten wir letzten Sommer welche gehabt. Nach allem, was ich im Sturm gesehen hatte, könnten wir
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