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Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Titel: Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten
Autoren: Lori Handeland
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Cartwright. Wer hätte gedacht, dass die kratzbürstige, taffe, waffennärrische, befehlshaberische Grace McDaniel wegen eines Babys sentimental werden würde? Ich bestimmt nicht.
    „Leider werde ich nicht warten können, bis sich Seine Hoheit aus dem Gitterbett erhebt.“ Ich stand auf und trank meinen restlichen Kaffee in einem Zug leer.
    „Ich werde das, was du mir erzählt hast, mit Mal bereden“, versprach Claire, als sie mich zur Tür brachte. „Er ist ziemlich gut darin, ungewöhnlichen Begebenheiten auf den Grund zu gehen.“
    Da Malachi einst dazu verflucht worden war, jahrhundertelang auf der Erde zu wandeln, verfügte er in Sachen Gestaltwandler über einen reichen Erfahrungsschatz.
    „Das wäre klasse“, erwiderte ich.
    Ich hätte es selbst getan, nur hatte ich die düstere Vorahnung, dass mich die menschlichen Bewohner von Lake Bluff in den kommenden Tagen ziemlich auf Trab halten würden. Hinzu kam, dass ich nie mit eigenen Augen einen Werwolf gesehen hatte und mich damit im Nachteil befand. Nicht, dass ich an ihrer Existenz zweifelte. Schon lange bevor sie aufgetaucht waren, hatte ich andere, ebenso erstaunliche Dinge gesehen, die mich letztendlich bekehrt hatten.
    „Ich werde diese Woche viel unterwegs sein.“ Ich trat auf die Veranda und staunte darüber, wie hell die Sonne nach diesem schrecklichen Unwetter schien. „Ich muss nach den Leuten in den Randbezirken sehen.“
    Es gab noch immer jede Menge rückschrittlicher Menschen, die sich nicht davon abbringen ließen, ohne Telefon und Elektrizität in den Bergen zu hausen. Ja, es gab sogar ein paar fortschrittliche Menschen, die das für den letzten Schrei hielten. Für mich waren sie geisteskrank. Was wahrscheinlich daran lag, dass ich jedes Mal, wenn die Natur verrückt spielte, nach ihnen sehen musste.
    „Du darfst deine Überstunden gern aufschreiben“, bemerkte Claire.
    „Genau das hatte ich vor.“
    Ich fuhr den Hügel hinab, an dessen Fuß das Grundstück lag, das sowohl die Polizeiwache als auch das Rathaus beherbergte. Doch anstatt auf den Parkplatz einzubiegen, hielt ich auf das Gebäude zu, vor dem der Möbelwagen gestanden hatte. Die Ladentür war offen, also trat ich ein.
    Vermutlich hätte ich mich durch Rufen bemerkbar machen sollen, aber der Raum war leer. Hatte der Umzugswagen Gegenstände abtransportiert, anstatt welche anzuliefern?
    Clevere Diebe taten häufig so, als hielten sie sich rechtmäßig an einem Ort auf, und nur selten stellte jemand unliebsame Fragen. Welch bessere Methode gäbe es, ein Haus zu plündern, als einen Umzugswagen zu bestellen und sich als Möbelpacker auszugeben?
    Mit dem Vorsatz, herauszufinden, ob jemand dieses Haus gekauft hatte, wollte ich gerade den Rückzug antreten, als über mir eine Diele knarrte.
    Langsam hob ich den Kopf. Ich hatte die darüberliegende Wohnung vergessen.
    Im Anschluss an die Hintertür des Ladens befand sich ein schmaler Bereich, früher Schmutzraum genannt, mit einer Treppe. Die Stufen führten zu einem langen, düsteren Flur mit einer ganzen Reihe von Türen, von denen nur die letzte offen stand. Während ich auf sie zuging, überkam mich plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ein rascher Blick über meine Schulter erbrachte keine Bestätigung.
    Die erste Tür, die zweite, die dritte, die vierte – ich öffnete den Mund, um mich anzukündigen, als ein weicher Luftzug über meinen Nacken strich.
    Ungeduldig fuhr ich herum, um meiner überbordenden Fantasie zu beweisen, dass der Flur hinter mir leer war.
    Der Mann stand so nahe, dass meine Brüste seinen Oberkörper streiften.

4
    Instinktiv griff ich nach meiner Waffe. Er fing mein Handgelenk auf halbem Weg dorthin ab. Meine linke Hand holte nach seinem Kopf aus, und er hielt auch sie fest. Dann starrten wir einander an, er meine Handgelenke so brutal umklammernd, dass ich später blaue Flecken haben würde, unsere Körper so dicht beieinander, dass unser Atem sich mischte.
    Er trug einen schwarzen Anzug und Krawatte, dazu ein Hemd, das so blütenweiß war, dass es sogar in dem spärlichen Licht hell schimmerte. Aber es war nicht der Anzug, der mich aus dem Konzept brachte – es war das lange, mit einem geflochtenen Zopf und einer Adlerfeder geschmückte Haar.
    Wenigstens hatte ich ihn mir nicht nur eingebildet.
    Mit Ausnahme der Feder wirkte er in diesem Licht nicht indianisch. Seine Haut war um einiges blasser als meine, und seine Augen hatten eine ungewöhnlich helle Farbe – nicht braun, nicht grün,
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