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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale
Autoren: Ian Rankin
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nicht sagen. Wir müssen uns noch mit seiner Kindheit beschäftigen, mit seinem
familiären Hintergrund.« Sie hörte sich eher herausfordernd als defensiv an. »Und ich hatte Recht
mit der Schizophrenie.«
»Du führst dein Projekt also fort?«
Sie versuchte zu nicken, was nicht einfach war. »Natürlich«, sagte sie.
»An Chambers lässt sich noch reichlich arbeiten. Irgendwo in seiner Vergangenheit muss es
Anhaltspunkte geben. Er muss doch irgendwas hinterlassen haben.«
»Sag mir Bescheid, wenn du es rausgekriegt hast.«
»John. Hat er irgendwas gesagt, bevor er starb?«
Rebus lächelte. »Nichts Wichtiges«, sagte er. »Nichts Wichtiges.«
Nachdem sie gegangen war, nach diversen Versprechen, wiederzukommen, gemeinsame Wochenenden in
Edinburgh zu verbringen, Postkarten zu schreiben und sich gegenseitig anzurufen, trug er sein
Gepäck zur Rezeption. George Flight stand am Empfangstresen und unterzeichnete mehrere Formulare.
Rebus legte seinen Schlüssel daneben.
»Ist dir eigentlich klar, wie viel dieses Hotel kostet?«, sagte Flight ohne aufzublicken. »Wenn
du das nächste Mal kommst, musst du wirklich bei mir schlafen.« Dann sah er Rebus an. »Aber du
warst es vermutlich wert.«
Er unterschrieb das letzte Formular und reichte alles der Frau hinter der Theke, die den Stapel
erst durchsah, bevor sie mit einem Nicken bestätigte, dass alles in Ordnung war. »Sie wissen ja,
an welche Adresse Sie das schicken müssen«, rief Flight über die Schulter zurück, während die
beiden Männer auf die Pendeltür des Hotels zusteuerten.
»Ich muss endlich das Kofferraumschloss reparieren lassen«, sagte Flight, nachdem sie Rebus'
Gepäck auf dem Rücksitz verstaut hatten.
»Wohin? King's Cross?«
Rebus nickte. »Mit einem kleinen Umweg«, sagte er.
Der Umweg stellte sich, nach Flights Worten, als gar nicht so klein heraus. Sie parkten gegenüber
von Rhonas Wohnung in Gideon Park, und Flight zog die Handbremse.
»Gehst du rein?«, fragte er. Rebus hatte daran gedacht, doch er schüttelte den Kopf. Was könnte
er Sammy schon sagen? Nichts, was ihr helfen würde. Wenn er erzählte, dass er Kenny gesehen
hatte, würde sie ihm nur vorwerfen, er hätte ihn verscheucht. Nein, am besten ließ er es
bleiben.
»George«, sagte er, »könntest du vielleicht jemanden vorbeischicken, um ihr zu sagen, dass Kenny
London verlassen hat? Er soll aber betonen, dass alles in Ordnung ist, dass Kenny nicht in
Schwierigke iten steckt. Ich möchte nicht, dass sie noch zu lange an ihn denkt.«
Flight nickte. »Ich mach das selbst«, sagte er. »Hast du mit ihm gesprochen?«
»Ich war heute Morgen dort.«
»Und?«
»Ich kam gerade rechtzeitig. Aber ich nehme an, er kommt schon klar.«
Flight betrachtete das Gesicht neben ihm. »Ich denke, das glaub ich dir.«
»Nur noch eines.«
»Ja?«
»Kenny hat mir erzählt, dass einer von deinen Männern mit drinsteckt. Dieser Prolet mit dem
Milchgesicht.«
»Lamb?«
» Genau der. Laut Kenny steht er auf Tommy Watkiss' Gehaltsliste.«
Flight kräuselte die Lippen und war einen Augenblick schweigsam. »Ich denke, das glaub ich dir
auch«, sagte er schließlich ganz leise. »Mach dir keine Sorgen, John. Ich kümmer mich
darum.«
Rebus sagte nichts. Er starrte immer noch auf die Fenster von Rhonas Wohnung. Er wollte, dass
Sammy an eines der Fenster kam und ihn sah.
Nein, nicht dass sie ihn sah, nur dass er sie sehen könnte. Aber es war niemand zu Hause. Die
Damen waren wohl mit Tim, Tony, Graeme oder Ben unterwegs.
Und außerdem ging das Rebus sowieso nichts an.
»Lass uns fahren.«
Also fuhr Flight ihn zum Bahnhof King's Cross. Fuhr ihn durch Straßen, die mit nichts wesentlich
anderem gepflastert waren als in jeder anderen Stadt. Alte und moderne Straßen, die Neid und
Verheißung ausströmten.
Und Böses. Vielleicht nicht viel Böses. Aber genug. Schließlich war das Böse ein einigermaßen
konstanter Faktor. Er dankte Gott, dass nur so wenige Menschen damit in Berührung kamen. Er
dankte Gott, dass er seine Freunde und seine Familie davor bewahrte. Und er dankte Gott, dass er
jetzt nach Hause fuhr.
»Woran denkst du?«, fragte Flight, als sie mal wieder im Leerlauf an einer roten Ampel
standen.
»An nichts«, sagte Rebus.
Er dachte immer noch an nichts, als er in den vollen Intercity 125 stieg und sich mit seinen
Zeitungen und Zeitschriften hinsetzte. Als der Zug gerade anfahren wollte, quetschte sich jemand
auf den Sitz ihm gegenüber und stellte vier Dosen starken Lager-Biers
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