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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale
Autoren: Ian Rankin
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her, bis Rebus wieder gegen
eine Wand knallt, diesmal mit Chambers. Es ist beinah eine Umarmung, als herrsche ein intimer
Kontakt zwischen den Körpern. Chambers ist unglaublich schwer. Seine Wange ruht auf der von
Rebus. Bis Rebus wieder zu Atem kommt und den Körper wegstößt. Chambers taumelt zurück in den
Raum, das Messer steckt bis zum Heft in seiner Brust. Er beugt den Kopf, um nach unten zu
schauen. Dunkles Blut tropft aus seinen Mundwinkeln. Er berührt den Griff des Messers. Dann
blickt er zu Rebus und lächelt beinah entschuldigend.
»So unschön... bei einem Mann.« Dann sinkt er auf die Knie. Der Rumpf kippt nach vorn. Der Kopf
schlägt auf dem Teppich auf. Und bleibt dort. Rebus atmet heftig. Er drückt sich von der Wand ab,
geht in die Mitte des Raumes und stößt mit der Schuhspitze gegen den Körper, kippt Chambers auf
die Seite. Das Gesicht sieht friedlich aus trotz der blutigen Schrammen. Rebus berührt mit zwei
Fingern sein Hemd, und als er sie wieder betrachtet, sind sie feucht vor Blut. Das spielte keine
Rolle. Was allein zählte, war, dass der Wolfsmann sich am Ende doch als menschlich erwiesen
hatte, menschlich und sterblich, sterblich und tot. Rebus wusste, wenn er wollte, könnte er das
als sein Verdienst in Anspruch nehmen. Doch das wollte er nicht. Er würde sie auffordern, das
Messer herauszuziehen und auf Fingerabdrücke zu untersuchen. Sie würden nur die von Chambers
finden. Was natürlich nicht viel hieß. Leute wie Flight würden immer noch glauben, dass Rebus ihn
umgebracht hatte. Aber Rebus hatte den Wolfsmann nicht getötet und war sich nicht sicher, was es
letztlich gewesen war: Feigheit? Schuld? Oder etwas tiefer Liegendes, etwas, das nicht zu
erklären war?
So unschön... bei einem Mann. Was war denn das für ein Nachruf?
»John?«
Es war Flights Stimme. Hinter ihm standen zwei Beamte, die Pistolen im Anschlag.
»Keine silbernen Kugeln nötig, George«, sagte Rebus. Er stand da, inmitten von zerstörten
Kunstschätzen im Wert von - wie er annahm mehreren Millionen Pfund. Alarmglocken schrillten,
während sich draußen in Central London meilenweit der Verkehr staute, bis der Trafalgar Square
endlich wieder freigegeben werden konnte.
»Ich hab dir doch gesagt, es würde einfach sein«, sagte er.

Lisa Frazer ging's eigentlich ganz gut. Schock, ein paar Blutergüsse, Schleudertrauma. Das
Krankenhaus wollte sie über Nacht dabehalten, nur um sicherzugehen. Sie wollten auch Rebus
dabehalten, doch er lehnte das ab. Also gaben sie ihm Schmerztabletten und nähten ihm mit drei
Stichen den Bauch zu. Die Verletzung wäre ziemlich oberflächlich, meinten sie, aber man sollte
besser vorsichtig sein. Der Faden, den sie benutzten, war dick und schwarz.
Als er in Chambers' riesiger zweistöckiger Wohnung in Islington ankam, wimmelte es dort bereits
von Polizisten, Leuten von der Spurensicherung, Fotografen und dem üblichen Gefolge. Die Reporter
draußen warteten verzweifelt auf ein Statement; einige erkannten ihn von der Stegreifkonferenz
wieder, die er vor dem Haus in der Copperplate Street abgehalten hatte. Doch er drängte sich an
ihnen vorbei in die Höhle des Wolfsmanns.
»John, wie geht's dir?« George Flight wirkte von den Ereignissen des Tages geschafft. Er hatte
Rebus eine Hand auf die Schulter gelegt. Rebus lächelte.
»Mir geht's gut, George. Was habt ihr gefunden?«
Sie standen in einem großen Flur. Flight deutete mit einem Blick nach hinten auf eines der
Zimmer, die von dem Flur abgingen. »Du wirst es nicht glauben«, sagte er. »Ich bin mir noch nicht
sicher, ob ich es tue.« Flights Atem roch nach Whisky. Man hatte bereits zu feiern
begonnen.
Rebus ging zur Tür und betrat das Zimmer. Das war der Raum, in dem die Fotografen und
Spurensicherungsleute am eifrigsten zugange waren. Ein großer Mann erhob sich hinter einem Sofa
und sah zu Rebus herüber. Es war Philip Cousins. Er nickte lächelnd. Neben ihm stand Isobel
Penny, den Zeichenblock in der Hand. Doch Rebus bemerkte, dass sie nicht zeichnete und dass alle
Spuren von Lebendigkeit aus ihrem Gesicht gewichen waren.
Anscheinend konnte selbst sie noch schockiert werden.
Die ganze Szenerie war in der Tat schockierend. Doch am schlimmsten war der Gestank, der Gestank
und das Summen der Fliegen. An einer Wand hingen die Überreste von Gemälden - sehr primitiv
gemalte Bilder, das konnte selbst Rebus erkennen. Doch nun waren es nur noch Fetzen, von denen
einige auf dem Fußboden lagen.
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