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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale
Autoren: Ian Rankin
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auseinander. Es war eine Adresse. Rebus sah
Flight an und nickte verstehend.
»Danke, George«, sagte er.
»Aber keine Handgreiflichkeiten, John.«
»Keine Handgreiflichkeiten«, versprach Rebus.
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Familienangelegenheiten
    In dieser Nacht schlief er tief, wachte jedoch am nächsten Morgen um sechs Uhr auf und saß
sofort senkrecht im Bett. Ihm tat der Bauch weh, ein brennendes Gefühl, als hätte er gerade einen
großen Schnaps in sich hineingekippt. Die Ärzte hatten ihm gesagt, er sollte keinen Alkohol
trinken. Gestern Abend hatte er deshalb nur ein Glas Wein und zwei Gläser Brandy getrunken. Er
rieb sich den Bereich um die Verletzung und versuchte, den Schmerz mit reiner Willenskraft zu
bekämpfen. Doch dann schluckte er zwei weitere Schmerztabletten mit einem Glas Leitungswasser,
bevor er sich anzog und in die Schuhe schlüpfte.
Sein Taxifahrer war zwar verschlafen, sprudelte aber über mit Geschichten von den gestrigen
Ereignissen.
»Ich war nämlich auf Whitehall. Eineinviertel Stunden im Taxi, bis sich der Verkehr wieder in
Bewegung setzte. Sage und schreibe eineinviertel Stunden. Die Verfolgungsjagd hab ich zwar nicht
gesehen, aber ich hab den Knall gehört.«
Rebus saß die ganze Strecke schweigend zurückgelehnt da, bis zu dem Wohnblock in Bethnal Green.
Er bezahlte den Fahrer und sah noch einmal auf den Zettel, den Flight ihm gegeben hatte. Nummer
46, vierter Stock, Wohnung sechs. Im Aufzug roch es nach Essig. Aus einer zerknitterten
Papierschachtel in einer Ecke quollen blasse Fritten und ein Stück Fischpanade heraus. Flight
hatte Recht: Es ging nichts über ein gutes Netz von Informanten. Dadurch kam man rasch an
Informationen. Aber was ein gutes Netzwerk für die Polizei leisten konnte, konnte es auch für die
Schurken tun. Rebus hoffte, dass er rechtzeitig da war.
Rasch ging er vom Aufzug über den kleinen Treppenabsatz zu einer Wohnungstür, vor der zwei leere
Milchflaschen in einem Plastikkasten standen. Er nahm sich eine Flasche, lief zum Aufzug zurück,
dessen Türen sich gerade rumpelnd schlossen, und steckte im letzten Augenblick die Milchflasche
dazwischen. Die Türen blieben, wo sie waren. Der Aufzug ebenfalls.
Man konnte nie wissen, ob man nicht eine rasche Fluchtmöglichkeit brauchen würde.
Dann lief er durch den schmalen Flur zu Wohnung Nummer sechs, stützte sich gegen die Wand und
trat mit dem Absatz gegen die Türklinke.
Die Tür flog auf, und er ging in eine stickige Diele. Eine weitere Tür, ein weiterer Tritt, und
er sah Kenny Watkiss ins Gesicht.
Watkiss hatte auf einer Matratze auf dem Fußboden geschlafen. Nun stand er da, so weit wie
möglich von der Tür entfernt gegen die Wand gelehnt, nur mit einer Unterhose bekleidet, und
zitterte. Er schob sich die Haare zurück, als er den Eindringling erkannte.
»O Ma-Mann«, stotterte er. »Was machen Sie denn hier?«
»Hallo, Kenny«, sagte Rebus und trat ins Zimmer. »Ich dachte, wir plaudern mal ein wenig.«
»Worüber?« Man bekam nicht eine solche Angst, wie Kenny Watkiss sie offenkundig hatte, weil einem
morgens um halb sieben jemand die Tür eintrat. Man bekam eine solche Angst nur bei dem Gedanken,
wer das tun könnte und warum.
»Über Onkel Tommy?«
»Onkel Tommy?« Kenny Watkiss lächelte wenig überzeugend. Er ging zu der Matratze zurück und
begann, sich eine zerrissene Jeans überzuziehen. »Was ist mit ihm?«
»Wovor hast du solche Angst, Kenny? Weshalb versteckst du dich?«
»Verstecken?« Wieder dieses Lächeln. »Wer hat denn gesagt, dass ich mich verstecke?«
Rebus schüttelte den Kopf und lächelte ebenfalls; allerdings strahlte er dabei offenkundiges
Mitgefühl aus. »Du tust mir Leid, Kenny, echt Leid. Typen wie dich sehe ich Hunderte pro Woche.
Voller Ehrgeiz und nichts im Kopf. Große Klappe, aber keinen Mumm. Ich bin erst seit einer Woche
in London, und schon weiß ich, wo ich dich finde, wenn ich das will. Meinst du, Tommy könnte das
nicht? Glaubst du, er lässt dich irgendwann in Ruhe? Nein, er wird dir deinen Schädel an die Wand
nageln.«
»Reden Sie doch keinen Blödsinn.« Jetzt wo er angezogen war, nachdem er noch ein schwarzes
T-Shirt übergezogen hatte, hatte Kennys Stimme etwas von ihrem Zittern verloren. Doch er konnte
den Ausdruck seiner Augen nicht kaschieren, diesen gehetzten und gejagten Blick. Rebus beschloss,
es ihm leicht zu machen. Er griff in seine Tasche und zog ein Päckchen Zigaretten heraus, bot
Kenny eine an und gab ihm Feuer, bevor er sich selber
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