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Wolfsliebe - Tochter der Wildnis

Wolfsliebe - Tochter der Wildnis

Titel: Wolfsliebe - Tochter der Wildnis
Autoren: Jasmine Braun
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glücklichen Stunden, die sie zusammen verbracht hatten, an die Wölfe, deren Jaulen sie nie vergessen würde, und an den Großvater, der sie in seine kräftigen Arme geschlossen und in Sicherheit gebracht hatte.
    »Großvater …!« Sie kam wieder zu sich und drehte sich langsam, wie in Trance, zu ihren Großeltern um. Ihr Großvater sah sie traurig an.
    »Großvater!«, rief sie erleichtert. »Ich hatte solche Angst, dass ihr … Großvater!«
    Weinend brach sie vor ihrem Großvater zusammen und fiel ihm um den Hals.
    »Großvater«, wimmerte sie immer wieder. »Großvater!«
    »Tikia … meine kleine Tikia«, flüsterte er und nahm sie in seine Arme.
    Tikia erschrak. Diese Stimme. Das war nicht die sanfte, starke Stimme ihres Großvaters; diese Stimme war schwach, fast flüsternd. Verzweifelt blickte Tikia ihren Großvater an und bemerkte mit Entsetzen, wie alt und zerbrechlich er im Flackern des Feuers aussah.
    »Großvater …?«
    Tikia fühlte eine warme Flüssigkeit über ihre Hand rinnen. Zitternd hob sie die Hand und sah, dass sie vor Blut troff.
    »Du … Du bist verletzt …! Schnell! Weck Großmutter! Sie muss deine Wunden versorgen! Großmutter!«, schrie sie in Panik.
    »Großmutter!« Sie sprang auf, fiel vor ihrer Großmutter auf die Knie und rüttelte an ihren Schultern, doch sie öffnete die Augen nicht, sie lächelte Tikia nicht an, und auf einmal wurde Tikia klar, dass Großmutter sie nie mehr anlächeln würde.
    »Nein«, hauchte Tikia, »nein!«
    Schreiend schreckte sie hoch und schaute verzweifelt ihren Großvater an.
    »Großvater …? Großmutter …«
    »Tikia! Beruhige dich! Deine Großmutter ist … Ich konnte sie nicht schützen …«, flüsterte er schwach. »Du musst in die Stadt, Tikia! Hörst du? Du musst hier weg! Du musst den Berg nach Norden abwärtsgehen und …«
    »… Großvater, nein …«
    »… dann die Straße entlang des Sees und den Pfad nach links nehmen, dann bist du in ungefähr drei Wochen in der Stadt …«
    »Nein … Nein … Du …«
    »Frag nach Tukann Zenô … Er ist ein alter Freund von mir, er wird sich um dich kümmern …«, fuhr er fort, ohne auf Tikias immer verzweifelter werdende Einwände zu achten.
    »Nein!!! Großvater … Du blutest … Du musst versorgt werden! Ich lass dich nicht allein!«, schrie sie hysterisch auf.
    »Nein! Tikia, du musst gehen! Ich werde sterben, Tikia! Ich … werde sterben … Du musst gehen … Versprich es mir, Tikia! Versprich es mir!«, redete der Großvater auf Tikia ein und sah sie eindringlich an.
    »Du wirst wieder gesund, Großvater …«
    »Nein, Kleines … Für mich kommt jede Hilfe zu spät … Ich werde Großmutter folgen und sie im Himmel um Vergebung bitten …«, sagte er leise lächelnd.
    Tikia wollte ihrem Großvater widersprechen, ihn anflehen, sich helfen zu lassen. Sie wollte ihn anschreien, dass er sie nicht alleine lassen sollte. Doch sie brachte nur ein hilfloses Wimmern hervor; die Gewissheit, dass sie nun bald ganz auf sich allein gestellt sein würde, dass sie alle geliebten Menschen hatte gehen lassen müssen, schnürte ihr die Kehle zu. Verzweifelt sah sie ihren Großvater an, dicke, warme Tränen rannen ihr übers Gesicht. Sie spürte nur noch die beklemmende, kalte Angst, die sich um ihr Herz gelegt hatte und kein anderes Gefühl mehr zuließ.
    »Komm zu mir, Kleines! Komm zu mir … Hör auf zu weinen! Großmutter und ich, wir werden immer bei dir sein! Du musst in die Stadt … Versprich es mir, Kleines, bitte!«
    Tikia lag noch lange in den Armen ihres Großvaters und hörte auf seinen Herzschlag, der immer schwächer wurde.
    »Du musst jetzt stark sein, Kleines …Versprich es mir …«, flüsterte ihr Großvater ein letztes Mal und schlief sanft ein.
    »Ich verspreche es dir«, flüsterte Tikia tapfer in sein Ohr, und als sein Herz verstummte, machte sie sich auf.
    Ihr Jagdgewehr hatte sie noch immer geschultert, ebenso wie den kleinen handgestrickten Beutel, den sie stets bei der Jagd mit sich trug, denn in ihm befanden sich alle wichtigen Utensilien, die man im Notfall benötigte.
    Schmerzerfüllt rannte sie hinaus, blickte nicht mehr zurück, sondern lief einem ihr unbekannten Schicksal entgegen, immer weiter, immer schneller, um ihr ehemaliges Zuhause hinter sich zu lassen.
    Tikia wusste, dass sie nun alleine war und dass ihr sehr harte Wochen bevorstanden. Doch noch war der Schock über den Verlust zweier weiterer Menschen in ihrem jungen Leben zu groß, als dass ihre Angst und ihre
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