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Wolfslegende

Wolfslegende

Titel: Wolfslegende
Autoren: Vampira VA
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sich an Bord frei bewegen. Aber davon machte er nur selten Gebrauch. Wahrscheinlich spürte er die Ablehnung, die ihm von allen Seiten entgegenschlug. Er war ein Fremder unter Fremden und hatte keinen einzigen Freund an Bord. Nicht einmal Dakaris konnte sich ganz von Mißtrauen lossagen, wenn er dem Hyperboreer gegenüberstand und mit ihm sprach.
    »Du weigerst dich standhaft, über deine Heimat zu erzählen. Wie die Menschen dort leben. Wie eure Städte aussehen. Wer euch regiert . Und ich kann nicht glauben, daß du dich an all das nicht mehr erinnerst.« Der Augure schüttelte den Kopf. »Es wundert mich, daß Minos dir in dieser Hinsicht blind vertraute. Ebensogut hätte er befehlen können, dich unter der Folter zum Reden zu bringen .«
    Manogan saß zwischen Taurollen. Er war groß und abgemagert. Seine Rippen waren so erhaben, daß sie die Blicke auf sich zogen, noch bevor man das Gesicht anschaute. Dunkles, wirres Haar und ein Vollbart verdeckten sein Antlitz so umfassend, daß Dakaris dem Hyperboreer Absicht unterstellte.
    Er will nichts von sich preisgeben. Nicht einmal seine Gefühle.
    »Euer König glaubt mir, weil es die Wahrheit ist. Ich erinnere mich nur verschwommen. Dennoch zieht es mich mit Macht in die Heimat zurück. Dort - nicht unter Menschen, deren Tun und Handeln ich nicht verstehe - will ich sterben und begraben werden.«
    »Ihr begrabt eure Toten?«
    »Nicht unter Erde. Unter Steinen. Wir schichten sie über die Körper.«
    »Seltsam, daß du das noch weißt, alles andere aber nicht ...«
    »Euer Mißtrauen ist unbegründet. Ich bin froh, dem Kerker entronnen zu sein. Was immer ihr in meiner Heimat sucht, es gibt mir die Chance, sie wiederzusehen. Dafür bin ich dankbar. Ich halte meine Versprechen.«
    »Ich hätte nichts dagegen.«
    »Wann sind wir am Ziel?«
    Manogan schien davon auszugehen, daß die Kreter den Kurs genau kannten, über den sie an ihr Ziel gelangen konnten. Dakaris hatte auch nicht vor, ihn zu entmutigen, indem er ihm die Wahrheit sagte: daß sie in Wirklichkeit in der Weite der Ozeane herumstocherten, als suchten sie eine Nadel im Heuhaufen. Im Wunderglauben, so das sagenhafte Reich aus König Minos' Traum zu finden.
    Jedesmal, wenn er selbst darüber nachdachte, wie blind sie in See gestochen waren, kam die Kälte wie eine Erinnerung an die Nacht auf König Minos' Balkon über den Auguren.
    Während er in Manogans nervös zuckende Augen blickte, faßte er den Entschluß, einen der Fische zu Rate zu ziehen, die sporadisch mit einem Schleppnetz an Bord gezogen wurden. Vielleicht würde dessen Eingeweide einen Hinweis liefern, wie lange sie noch die Meere kreuzen oder wo genau sie nach dem Land, das dem Schiff seinen Namen gegeben hatte, zu suchen hatten.
    Alle Zeit der Welt stand ihnen nicht zu Verfügung. Das Verhängnis in der Kiste bestimmte die Frist, die ihnen blieb. Denn falls es den Verschlag tatsächlich irgendwann sprengte, konnten die Folgen nur fürchterlich sein.
    Es wäre das Ende, dachte Dakaris. Das sichere Ende nicht nur unserer Mission, sondern auch deines Traums, ferner König ...
    Der Augure wurde durch eine Vielzahl kehliger Schreie aus seinen Gedanken gerissen.
    Ohne Gruß verließ er Manogan und eilte zurück an Deck.
    Als er kurz zuvor hinabgestiegen war, hatte noch allerbestes Wetter geherrscht. Ein kräftiger Wind hatte die Großsegel aufgebläht, und am Himmel hatte sich kaum eine Wolke gezeigt.
    Nun war alles anders geworden.
    Windstille empfing Dakaris und eine schwüle Wärme, die sich augenblicklich auf seine Brust legte und ihm das Gefühl suggerierte, durch einen porösen Schwamm hindurch Atem schöpfen zu müssen.
    Die Luft »stand«, trotzdem wogte ringsum gespenstisches Weiß.
    Ein unglaublich dichter Nebel war aufgezogen und gestattete kaum die Sicht bis zur nahen Reling. Himmel und Umgebung waren verschwunden.
    Tastend bahnte sich Dakaris den Weg auf das Podest zurück, wo er mit Thalius und Parask gesprochen hatte. Sie waren beide noch da und versuchten von der erhöhten Warte aus ihre wild durcheinanderplärrenden Männer zu beruhigen.
    »Parask, sagt mir, ob ihr das schon einmal erlebt habt!« drängte sich Dakaris dazwischen. »Wie kann -«
    »Ich bezweifele, daß Poseidon dahintersteckt«, fuhr Thalius dem Auguren ins Wort. »Jetzt ist der Moment, da Ihr uns sagen müßt, was in der Kiste ist, sonst kann ich für nichts mehr garantieren! Schaut, die Männer! Sie sind außer sich, weil es kein normaler Nebel ist, der uns umhüllt,
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