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Wolfsbrut

Wolfsbrut

Titel: Wolfsbrut
Autoren: Whitley Strieber
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nicht gemeldet. Etatkürzungen hatten den einst funktionierenden Wartungstrupp auf genau zwölf Männer für sämtliche Polizeifahrzeuge reduziert. Zivilwagen standen ganz unten auf der Liste für Blinklicht- und Sirenenreparaturen.
    »Ich habe sie repariert«, sagte Becky Neff, »und jetzt bin ich verdammt froh drum.« Die Sirene würde die Fahrt zum Abstellplatz wesentlich erleichtern.
    Wilson zog die Brauen hoch. » Du hast sie repariert?«
    »Ich habe mir die Gebrauchsanweisungen ausgeliehen und sie repariert. Kein Problem.« In Wahrheit hatte sie einen Elektronikfreak aus der Nachbarschaft gebeten, es für sie zu machen, einem Burschen, der einen Computer im Wohnzimmer hatte. Aber das mußte Wilson ja nicht unbedingt wissen.
    » Du hast sie repariert«, sagte Wilson noch einmal.
    »Du wiederholst dich.«
    Er schüttelte den Kopf.
    Als das Auto auf die Schnellstraße Brooklyn-Queens fuhr, benützte er die Sirene, bestätigte den Schalter und erzeugte eine Reihe schriller Heultöne, die ihnen eine Bahn frei machten. Aber der Verkehr wurde schlimmer, als sie sich der Kreuzung Battery Tunnel näherten, und die Sirene nützte im Wirrwarr der Busse und Lastwagen kaum etwas. »Drück drauf, Becky.«
    »Ich drücke drauf. Kümmere du dich um die Sirene.«
    »Ist mir egal, was du machst, aber beweg dich!«
    Sein Ausbruch erboste sie, und sie wollte ihn anbrüllen, aber sie wußte, was er empfand. Sie teilte seine Gefühle und wußte: Sein Zorn galt der Straße. Wenn Polizisten ermordet wurden, haßte man die ganze Welt, und besonders die verdammte Stadt.
    Wilson beugte sich zum Fenster hinaus und schrie den Fahrer eines Lastwagens an, der die Spur blockierte: »Polizei! Fahren Sie das verdammte Ding weg, sonst nehme ich Sie fest!«
    Der Fahrer zeigte ihm den Mittelfinger, fuhr das Fahrzeug aber weg. Becky Neff trat das Gaspedal bis zum Boden durch, steuerte um den langsameren Verkehr herum, kam manchmal gut voran und blieb manchmal wieder stecken.
    Die Fahrt hatte schon fast eine Stunde gedauert, als sie sich ihrem Ziel näherten. Sie fuhren von der Schnellstraße herunter, durch die Fiatbush Avenue in die teils verwahrlosten und teils ordentlichen Wohngegenden dahinter. Die Bezirke blieben hinter ihnen zurück, der achtundsiebzigste, der siebenundsiebzigste, der dreiundsiebzigste. Schließlich gelangten sie in den fünfundsiebzigsten und bogen in die Flatlands Avenue ein, eine Straße mit unscheinbaren Geschäften in einer gemischtrassigen Gegend unterer bis mittlerer Einkommen. Der fünfundsiebzigste Bezirk war so durchschnittlich wie man es in New York nur erwarten konnte. Hier lebten etwa hunderttausend Menschen, nur wenige ganz arm, noch weniger wirklich reich, und etwa zu gleichen Teilen aus Schwarzen, Weißen und Menschen spanischer Abstammung bestehend.
    Der fünfundsiebzigste war ein Bezirk, über den man nie etwas in der Zeitung las, wo Polizisten gute, solide Laufbahnen beendeten, ohne jemals einen Menschen erschossen zu haben, wo sie nicht getötet wurden - und noch weniger verstümmelt und kannibalisch verspeist.
    Schließlich bogen sie in die Fountain Avenue ein. In der Ferne konnte man eine Gruppe Blinklichter im trüben Herbstlicht sehen; das mußten die Polizeifahrzeuge sein, die vor dem Eingang zum Schrottplatz vorgefahren waren. Ort des Verbrechens. Und wenn man anhand der Fernsehwagen urteilen wollte, die am Straßenrand parkten, würde der fünfundsiebzigste Bezirk nicht mehr lange ein unscheinbarer Ort bleiben.
    »Wer ist Captain des Reviers?« fragte Neff ihren Vorgesetzten. Wilson war der Senior des Teams, und er achtete sorgfältig darauf, daß sie diese Tatsache nie vergaß. Darüber hinaus hatte er ein hervorragendes Gedächtnis für Einzelheiten.
    »Gerardi, glaube ich, irgend was Gerardi. Ganz guter Polizist. Soweit ich weiß, ist der Laden ruhig. Nicht viel los. Nicht gerade Midtown South, wenn du weißt, was ich meine.«
    Wilson wollte damit sagen, daß dieser Bezirk sauber war - keine verbrecherischen Polizisten, keine Verbindungen zur Unterwelt, keine nennenswerte Korruption. Anders als in Midtown South gab es hier nicht einmal Gelegenheit dazu.
    »Klingt ganz nach einem Psycho-Fall«, sagte Neff. Sie wählte ihre Worte stets mit Bedacht, wenn Wilson in der Nähe war. Er war höhnisch, wenn er unausgegorene Theorien hörte, und tolerierte keine Menschen, deren Fähigkeiten den seinen unterlegen waren. Was bedeutete, er konnte fast die gesamte Polizei nicht tolerieren. Er war
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