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Wolfsbrut

Wolfsbrut

Titel: Wolfsbrut
Autoren: Whitley Strieber
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dem unaussprechlichen Grauen vor ihren Augen fliehen. Statt dessen sah sie genauer hin, studierte die gebrochenen, verschmierten Knochen, die im Licht der von den Ermittlungsbeamten aufgestellten Schweinwerfer fast zu leuchten schien.
    »Wo, zum Teufel, ist der medizinische Gutachter?« sagte Wilson hinter ihr. Eine Stimme antwortete. Wilson kam keinen Schritt näher; sie wußte, er tat es nicht, weil er solche Anblicke nicht ertragen konnte. Sie biß die Zähne zusammen, um sich den eigenen Ekel nicht anmerken zu lassen, betrachtete die Leichen und bemerkte das Ungewöhnlichste an ihnen: die langen Krallenspuren an den freigelegten Knochen und die generellen Spuren von Bißwunden. Sie stand auf und sah sich den einsamen Schauplatz an. Etwa eine Viertelmeile entfernt konnte man die Müllhalde erkennen, über deren Abfallbergen man gewaltige Möwenschwärme kreisen sah. Man konnte die Schreie der Möwen sogar über das Stimmengewirr hinweg hören. Zwischen hier und der Halde befand sich ein Meer alter Autos und Lastwagen aller erdenklichen Fabrikate, doch die meisten waren ausgeschlachtet, wertlose Hüllen. Ein paar in der Nähe waren mit einem weißen »X« gekennzeichnet, Zeugen der Arbeit, die DiFalco und Houlihan getan hatten, als der Angriff erfolgte.
    »Sie wurden von Ratten zerfressen«, sagte Becky mit ihrer gleichgültigsten Stimme,« aber diese größeren Spuren deuten auf etwas anderes hin - Hunde?«
    »Die wilden Hunde hier in der Gegend sind verhungerte kleine Pinscher«, sagte der Captain des Reviers.
    »Wie lange waren diese Männer überfällig, bevor Sie eine Suche veranlaßt haben, Captain?« fragte Wilson.
    Der Captain sah ihn durchdringend an. Neff war verblüfft; niemand unter dem Dienstgrad eines Inspektors hatte das Recht, einem Captain so eine Frage zu stellen, und selbst dann nur vor einer Untersuchungskommission. Es war eine Frage, die in eine Verhandlung wegen vernachlässigter Pflichten gehörte und nicht an den Schauplatz eines Verbrechens.
    »Wir müssen es wissen«, fügte Wilson ein wenig zu laut hinzu.
    »Dann fragen Sie den Gerichtsmediziner, wie lange sie schon tot sind. Wir haben sie vor zwei Stunden gefunden. Reimen Sie sich den Rest selbst zusammen.« Der Captain wandte sich ab, und Becky Neff folgte seinem Blick über den fernen Atlantik, wo man einen Helikopter sehen konnte, der zunehmend größer wurde. Es war ein Hubschrauber der Polizei, der wenig später mit dröhnenden Rotoren über ihnen schwebte, während nach einem geeigneten Landeplatz gesucht wurde.
    »Das sind die Commissioner und der Chief«, sagte Wilson. »Sie müssen die Reporter gerochen haben.« Im Januar würde ein neuer Bürgermeister das Amt übernehmen, und sämtliche Beamten der Stadt bemühten sich nach Kräften, ihre Jobs zu behalten. Daher ergriffen die normalerweise anonymen Männer jetzt jede Gelegenheit beim Schopf, ihre Gesichter in die Elf-Uhr-Nachrichten zu bekommen. Aber diesesmal würden sie enttäuscht werden; da es sich um ein außergewöhnlich brutales Verbrechen handelte, wurde die Presse so weit es ging ferngehalten. Keine Bilder, bevor der Schauplatz des Verbrechens geräumt war.
    Während der Polizeichef und der Commissioner aus dem Helikopter ausstiegen, hastete der Gerichtsmediziner, der eine Zeitung über den Kopf hielt, um sich vor dem Regen zu schützen, über den schlammigen Boden. »Es ist Evans selbst«, sagte Wilson. »Ich habe den Mann seit zwanzig Jahren nicht mehr draußen gesehen.«
    »Ich bin froh, daß er hier ist.«
    Evans war der oberste Gerichtsmediziner der Stadt, ein Mann, der für seine genialen Methoden gerichtsmedizinischer Ermittlungen berühmt war. Er kam schäbig und winzig daher und sah hinter seiner dicken Brille sehr alt aus.
    Er hatte schon oft mit Wilson und Neff gearbeitet und begrüßte sie beide mit einem Nicken. »Was meint ihr?« sagte er, noch bevor er die Leichen untersuchte. Er behandelte die meisten Polizisten höflich; diese beiden respektierte er.
    »Wir werden Mühe haben, die Todesursache festzustellen«, sagt Wilson. »Wegen des Zustands, in dem sie sich befinden.«
    Evans nickte. »Ist die Spurensicherung mit den Leichen fertig?« Das Team der Spurensicherung war fertig, was bedeutete, daß man die Leichen berühren durfte. Dr. Evans zog schwarze Gummihandschuhe an und bückte sich. Er ging so in seiner Tätigkeit auf, daß er die hohen Herren, die hinzutraten, überhaupt nicht zur Kenntnis nahm.
    Die Gruppe beobachtete Evans, der die Leichen
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