Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Autoren: Roman Rausch
Vom Netzwerk:
zuckten auf, und Kameras westlicher Nachrichtensender katapultierten das Unfassbare in jeden Winkel der Welt.
    »Macht das Tor auf!«
    In den oberen Stockwerken des Ministeriums kollabierten währenddessen die Reißwölfe unter der Last. Akten wurden hektisch von Hand zerrissen und auf einen Berg geworfen. Offiziere trieben die Mannschaften an, schneller zu arbeiten. Über die Bildschirme der Robotron-Rechner flimmerten Zahlenkolonnen, Namen, Adressen und intime Details, die in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen worden waren. Stahlschränke wurden aufgerissen und Computerbänder herausgenommen. Sie verschwanden in Taschen, Koffern und Rucksäcken. Zivil gekleidete Kuriere drängten zur Eile.
    Lange konnte es nicht mehr dauern. Steine flogen durch die Fenster, und Stasi-raus-Rufe erfüllten den Raum.
    Saunders öffnete die Tür zu Referat 7. Oberst Weinmann brüllte auf einen Untergebenen ein, der drei silberfarbene Filmdosen in eine schwarze Kuriertasche steckte. Dann sah er Saunders.
    »Na endlich. Sie müssen diese Tasche rausbringen, egal, was passiert, egal, wer sich Ihnen in den Weg stellt. Haben Sie das verstanden?«, fragte Oberst Weinmann eindringlich.
    »Ich bin kein Anfänger«, antwortete Heinrich kühl.
    »Trauen Sie niemandem. Sollte sich Ihnen jemand in den Weg stellen, schießen Sie ihn nieder.«
    »Wohin und an wen geht die Lieferung?« Weinmann zog ihn zur Seite, neben das Fenster.
    »Moskau. Generalmajor Ropow. Alexander Ropow. Vergessen Sie den Namen nicht«, sagte Weinmann. »Nur er darf die Tasche bekommen. Haben Sie verstanden? Nur er kann sie in Sicherheit bringen.«
    »Eine letzte Frage: Was soll ich nach der Übergabe tun?« Weinmann zuckte mit den Schultern. »Sie müssen sich dann selbst durchschlagen. Mein letzter freundschaftlicher Rat ist, dass Sie so schnell wie möglich Ihr Geld auf neue Konten transferieren und alle Spuren verwischen. Ich weiß nicht, ob wir das rechtzeitig schaffen.«
    Saunders nahm die Tasche, heftete seinen Presseausweis ans Revers und verließ grußlos das Referat 7.
    Mehrere Einsatzkommandos, fünf bis sechs Mann stark und in ziviler Kleidung, drangen im Schutz der Demonstranten in das Gebäude ein. Während die siegestaumelnden Revolutionäre Honecker-Bilder und DDR-Flaggen von den Wänden rissen, darauf herumtrampelten, sie bespuckten und sich richtungslos im weiten Bürokomplex verloren, verteilten sich die einzelnen Trupps zielsicher auf verschiedene Gebäudebereiche. Ihre Anführer hatten von Hand gezeichnete Karten bei sich und gaben ihre Kommandos auf Englisch. Saunders rannte mit der schwarzen Kuriertasche auf die Treppen zu. Kaum hatte er die ersten Stufen genommen, kam ihm ein Trupp entgegen. Sie musterten ihn, erkannten den Presseausweis und liefen an ihm vorbei Richtung Referat 7. Sie stießen die Tür auf und fanden Oberst Weinmann vor, wie er mit einem Stuhl auf den Robotron-Rechner einschlug. Der Truppführer stürzte sich auf die leeren Wandschränke, die anderen hielten Weinmann fest, um zu retten, wonach sie suchten.
    »Wo sind die verdammten Filme?!«, schrie der Truppführer Weinmann auf Deutsch an und packte ihn an der Uniform. Weinmann lächelte zufrieden: »Ihr Amerikaner werdet es niemals schaffen.«
    Saunders kam ins Erdgeschoss gelaufen, wo johlende Demonstranten im Siegesrausch tanzten. Einige musterten ihn misstrauisch.
    »Stasi raus!«, brüllte er ihnen entgegen und lief durch den Hof hinaus in die Normannenstraße. Nach wenigen Metern verschwand er im Dunkel einer Seitenstraße.
    Hinter einer Hausecke beobachtete ihn ein Mann, der lange Zeit die Geschicke im Stasi-Gebäude bestimmt hatte.
Eine Woche später. Moskau. KGB-Zentrale.
    Die Straße war menschenleer. Dienstfahrzeuge parkten verlassen am Straßenrand. Saunders stand hinter einem Baum, die Kuriertasche fest unter dem Arm. Zwei Wachposten patrouillierten mit geschulterten Kalaschnikows am Hauptportal.
    Von Saunders aus waren es etwa fünfzig Meter bis zum rettenden Hauptportal des Gebäudes. Hinter dem Gitter ragte das mehrstöckige KGB-Gebäude in den Nachthimmel. Im dritten Obergeschoss, links außen, waren zwei Fenster erleuchtet. Dahinter musste Ropow auf ihn warten. Er hatte sich in den letzten Tagen versichert, dass Generalmajor Alexander Ropow zu dieser späten Stunde noch zugegen war. Saunders hatte ihm eine Nachricht zukommen lassen, dass er heute Nacht die Lieferung überbringen werde.
    Er schaute prüfend die Straße entlang und ging los. Sein Schritt war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher