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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern
Autoren: Michail Bulgakow
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wiedersehen. Immer hat sie zu Gott gebetet. Und siehst du, nun hat mich Gott hergeführt.«
    Der Fürst erhob sich, umarmte Jona und küßte ihn auf die feuchte Wange. Jona kamen die Tränen, er bekreuzigte sich vor den Bücherschränken, vor Alexa n der I. und vor dem Fenster, wo der Sonnenuntergang in einem schmalen Streifen verglomm.
    »Friede ihrer Asche, Friede ihrer Asche«, murmelte er mit zittriger Stimme, »ich werde für sie in Oresch-njewo eine Totenmesse lesen lassen.«
    Der Fürst blickte sich nervös um, ihm schien, als knirsche irgendwo das Parkett.
    »Ist etwas?«
    »Nichts, regen Sie sich nicht auf, Väterchen, wir sind allein. Es kann gar niemand da sein. Wer soll schon kommen außer mir.«
    »Also dann, hör zu, Jona. Ich habe wenig Zeit. Kommen wir zur Sache.«
    Wieder sträubten sich Jonas Gedanken. Wirklich, was soll geschehen? Da sitzt er. Lebendig! Er ist zurüc k gekommen. Aber ... da sind doch die Bauern! ... Die Felder?
    »Wirklich, Euer Erlaucht«, schaute er flehend den Fürsten an, »was soll jetzt geschehen? Und das Haus? Oder gibt man es Ihnen zurück?«
    Nach diesen Worten Jonas brach der Fürst in ein L a chen aus, welches seine Zähne nur auf einer Seite en t blößte, der rechten.
    »Ob sie es zurückgeben? Was denkst du, mein Li e ber!« Der Fürst zog ein schweres gelbes Zigarettenetui hervor, begann zu rauchen und fuhr fort: »Nein, lieber Jona, nichts geben sie mir zurück ... Du scheinst verge s sen zu haben, was geschah ... Das ist jetzt nicht wichtig. Und überhaupt, denk daran, daß ich nur für eine M i nute und im geheimen gekommen bin. Du brauchst gar nicht beunruhigt zu sein, es wird niemand etwas erfahren. In dieser Beziehung kannst du ganz ruhig sein. Erstens bin ich gekommen, um nachzusehen, was hier vor sich geht (der Fürst blickte auf die im Dunkel verschwimmenden Bäume). Ich erhielt gewisse Nac h richten; aus Moskau teilte man mir mit, daß das Schloß unbeschädigt sei, daß es als Volkseigentum geschont werde ... (seine Zähne schlossen sich auf der rechten und entblößten sich auf der linken Seite). Volkseige n tum oder nicht, der Teufel soll sie holen. Spielt keine Rolle. Hauptsache, es steht. So ist es sogar besser ... Aber die Sache ist die: wichtige Dokumente von mir sind noch da. Ich brauche sie unbedingt. Wegen der Güter in Samara und in Pensa. Auch wegen Pawel Iw a nowitsch. Sag, ist mein Arbeitszimmer ausgeräumt, oder ist alles da?« Der Fürst deutete aufgeregt mit dem Kopf auf die Portiere.
    Die Räder in Jonas Hirn begannen langsam wieder zu funktionieren. Vor seinen Augen tauchte Alexander E r tus auf, ein gebildeter Mann mit genauso einer Brille wie der Fürst. Ein strenger und ernster Mann. Der gelehrte Ertus kam jeden Sonntag von Moskau hergefahren, ging in quietschenden Halbstiefeln im Schloß herum, ordnete Verschiedenes an, befahl, auf alles zu achten, und saß viele Stunden im Arbeitszimmer, vergraben in Büchern, Handschriften und Briefen. Jona brachte ihm trüben Tee dorthin. Ertus aß belegte Brote und kratzte mit der F e der. Manchmal fragte er Jona über das frühere Leben aus und machte sich lächelnd Notizen.
    »Ausgeräumt ist es nicht, das Arbeitszimmer«, mu r melte Jona, »aber leider, Väterchen, Euer Erlaucht, ist es versiegelt. Versiegelt ist es.«
    »Wer hat es versiegelt?«
    »Ertus, Alexander Abramowitsch, vom Komitee ...«
    »Ertus?« fragte Tugaj-Beg ein zweites Mal. »Warum hat gerade Ertus und nicht jemand anderer mein A r beitszimmer versiegelt?«
    »Er ist vom Komitee, Väterchen«, antwortete Jona schuldbewußt, »aus Moskau. Ihm wurde die Oberau f sicht übertragen. Da unten, Euer Erlaucht, kommt eine Bibliothek hin, da wird man die Bauern unterrichten. Und er richtet die Bibliothek ein.«
    »Ah, so ist das! Eine Bibliothek«, der Fürst fletschte die Zähne, »das ist nett! Ich hoffe, meine Bücher we r den ihnen reichen? Schade, schade, daß ich nichts wu ß te, sonst hätte ich ihnen aus Paris noch welche g e schickt. Aber sie reichen doch?«
    »Natürlich, Euer Erlaucht«, krächzte Jona verlegen, »wir haben doch Unmengen von Büchern«, – Eiseskälte kroch Jona den Rücken hinauf, wenn er dem Fürsten ins Gesicht sah.
    Tugaj-Beg erschauerte im Sessel, kratzte sich am Kinn, dann ballte er die Faust um den Bart und sah plötzlich dem Schieläugigen in der Kappe auf dem Portrait schrecklich ähnlich. Seine Augen überzogen sich mit einem Trauerschleier.
    »Sie reichen? Wunderbar. Ich sehe, daß dein Ertus
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