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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern
Autoren: Michail Bulgakow
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ein gebildeter und talentierter Mann ist. Richtet Bibli o theken ein, sitzt in meinem Arbeitszimmer. Ja-a. Und weißt du auch, Jona, was passieren wird, wenn dieser Ertus die Bibliothek fertig hat?«
    Jona schwieg und riß die Augen auf.
    »Diesen Ertus hänge ich dort an der Linde auf«, der Fürst deutete mit seiner weißen Hand zum Fenster, »an der beim Tor. (Jonas Blick folgte traurig und gehorsam der Hand). Nein, rechts, beim Gitter. Und zwar wird Ertus einen Tag mit dem Gesicht zur Straße hängen, damit die Bauern diesen Bibliotheksorganisator bewu n dern können, und einen Tag mit dem Gesicht hierher, damit er selbst seine Bibliothek bewundern kann. Das werde ich tun, Jona, ich schwöre dir, was immer es koste. Dieser Augenblick wird kommen, da kannst du sicher sein, Jona, und vielleicht schon sehr bald. Und Verbindungen, um diesen Ertus zu bekommen, habe ich genug. Sei nur ruhig ...«
    Jona atmete krampfhaft.
    »Und daneben«, fuhr Tugaj mit belegter Stimme fort, »weißt du, wen wir da unterbringen? Diesen Nac k ten. Antonow, Semjon. Semjon Antonow«, er blickte nach oben, während er sich den Namen einprägte. »E h renwort, ich werde den Genossen Antonow auf dem Grunde des Meeres finden, wenn er bis dahin noch nicht verreckt ist oder wenn man ihn nicht wie die anderen auf dem Roten Platz aufhängt. Aber selbst wenn man ihn aufhängt, werde ich ihn auf ein, zwei Tage zu mir her hängen. Antonow Semjon war schon einmal im Hauptquartier des Khans zu Gast und ging nackt mit Zwicker durch das Schloß«, Tugaj schluckte seinen Speichel, wodurch seine tatarischen Backenkn o chen hervortraten, »macht nichts, ich werde ihn noch einmal aufnehmen und wieder nackt. Wenn er mir lebend in die Hände fällt, ah, Jona! ... dann ist Ant o now Semjon nicht zu beglückwünschen. Nicht nur ohne Hosen wird er hängen, sondern auch ohne Haut! Jona! Hast du gehört, was er über die Fürstin-Mutter gesagt hat? Hast du gehört?«
    Jona seufzte bitter und wandte sich ab.
    »Du bist ein treuer Diener, und ich werde bis an mein Lebensende nicht vergessen, wie du mit dem Nackten gesprochen hast. Kommst du jetzt darauf, warum ich den Nackten nicht im selben Augenblick umgebracht habe? Ah? Du kennst mich doch schon viele Jahre, Jona?« – Tugaj-Beg griff in die Mantelt a sche und zog einen glänzenden feingerippten Griff hervor; in seinen Mundwinkeln war deutlich weißer Schaum zu sehen, und seine Stimme war dünn und heiser geworden. – »Aber ich habe ihn nicht umg e bracht! Ich habe ihn nicht umgebracht, Jona, weil ich mich rechtzeitig beherrscht habe. Aber was mich diese Beherrschung kostete, das weiß nur ich allein. Es war unmöglich, ihn umzubringen, Jona. Das wäre schwäc h lich und ungeschickt gewesen, man hätte mich gefaßt, und ich hätte nichts von dem ausführen können, we s wegen ich gekommen bin. Wir werden mehr machen, Jona ... Besser«, der Fürst murmelte etwas für sich und verstummte.
    Jona saß da, ihn schwindelte, und die Worte des Fürsten ließen ihn vor Kälte erschauern, als habe er Minze gegessen. Er konnte nichts mehr denken, nur Gedankenfetzen schwirrten ihm durch den Kopf. Im Zimmer war es schon ziemlich dämmerig. Tugaj schob den Griff in die Tasche zurück, runzelte die Stirn, stand auf und schaute auf die Uhr.
    »Nun, Jona, es ist spät. Ich muß mich beeilen. In der Nacht fahre ich fort. Wir werden es schon in Ordnung bringen. Erstens also«, – der Fürst hielt plötzlich eine Brieftasche in der Hand, – »nimm, Jona, nimm, treuer Diener! Mehr kann ich dir nicht geben, hab’ selbst nicht viel.«
    »Um keinen Preis«, krächzte Jona und wehrte mit den Händen ab.
    »Nimm!« sagte Tugaj streng und stopfte Jona eige n händig weiße Scheine in die Tasche seiner Matrosenj a cke. Jona schluchzte auf. »Nur paß auf und wechsle es nicht hier, sonst fragen sie, woher du es hast. Nun, und jetzt zur Hauptsache. Ich hoffe, Jona Wassiljewitsch, du erlaubst mir, im Schloß zu bleiben, bis der Zug geht. Um zwei Uhr nachts fahre ich nach Moskau. Ich werde im Arbeitszimmer einige Papiere durchsehen.«
    »Aber das Siegel, Väterchen«, begann Jona kläglich.
    Tugaj ging zur Tür, zog die Portiere beseite und riß mit einem Handgriff die Schnur mit dem Siegel heru n ter.
    Jona stöhnte auf.
    »Unsinn«, sagte Tugaj, »hab du nur keine Angst! Fürchte dich nicht, mein Freund! Ich verspreche dir, ich werde alles so einrichten, daß du dich für nichts zu ve r antworten haben wirst. Glaubst du mir? Nun also
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