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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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– sondern auch den Weg von Afghanistan zu mir selbst. ›Dieser Weg wird kein leichter sein‹ – das hatte ich gewusst, als ich damals aus dem Koma erwacht bin und mir ein Teil meines Beines fehlte, aber jetzt war ich endlich bei mir angekommen. Ich hatte mein Schicksal angenommen und würde mein Leben auch in Zukunft selbst gestalten können, dessen war ich mir jetzt sicher. Um 18 Uhr 25 empfing mich Christian am Ortsschild von Riva del Garda nach 325 gefahrenen Kilometern, 2180 Höhenmetern und elf Stunden, zweiunddreißig Minuten reiner Fahrtzeit, ohne Pausen gerechnet. Christian fotografierte mich damals, wie ich in meinem weißen Rennanzug unter dem Ortsschild mein Fahrrad jubelnd in die Höhe über den Kopf reiße – man sieht deutlich die vor Anstrengung dicken Adern auf meinem Bein und den schweißnassen Streckverband über meiner Prothese. Es war geschafft, nur das zählte nach all den Anstrengungen. Zwei Stunden später saß ich erschöpft, aufgekratzt und sehr glücklich an der Seepromenade und habe mit Antje telefoniert, vor mir zwei Teller Spaghetti – Kohlenhydrate für die Muskeln und zum Energieaufbau.«
    Botschafter aus Überzeugung
    Tino wollte mit seiner Tour zum Gardasee sich selbst und anderen zeigen, dass er als Behinderter sportlich etwas leisten kann, was selbst gesunde Menschen nicht so leicht schaffen. Die Tour hat ihn unglaublich motiviert, die Anforderungen an sich selbst wieder ein bisschen höher zu schrauben. Außerdem sieht er in seinen sportlichen Ambitionen und seinem Schicksal auch eine Chance, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Behindertensport zu lenken. Das ist auch etwas, wofür
Tino kämpft: Um Anerkennung für Menschen, bei denen das Leben nicht so normal verläuft wie bei anderen. Tino ist auf dem Rad wieder zu sich selbst gefahren und möchte möglichst viel von dem, was er an Anteilnahme erhalten hat, anderen Menschen weitergeben: »Ich bin heute Botschafter der deutschen Kriegsopferfürsorge und setze mich dafür ein, dass Kriegsheimkehrern geholfen wird, denn ich weiß, wie grundlegend sich das Leben verändert nach einer Verwundung oder psychischen Erkrankung während solcher Einsätze. Viele Betroffene haben nicht nur mit ihren Verletzungen schwer zu kämpfen, sondern auch mit der Bürokratie und den Anträgen für die Opferversorgung. Dabei ist es unglaublich wichtig, schnell Stabilität in seinen Alltag zu bekommen. Ich identifiziere mich sehr mit dieser Arbeit.
    2010 habe ich die Schirmherrschaft beim integrativen Murnauer Marktlauf übernommen, dessen Erlös einem Krankenhaus in Afghanistan zugutekam. Als Vorsitzender der Radsportgemeinschaft Werdenfels habe ich in einem Waldstück südlich von Murnau den Bau eines 800 Meter langen Moutainbike-Parcours angestoßen, der mich total an die erste Moutainbikestrecke in meiner Schulzeit im Wald bei Adelsberg nahe Chemnitz erinnert. Seit Kurzem bin ich auch beim Mountainbiketeam Zwillingscraft in Kochel aktiv. Es fehlt mir nichts in meinem Leben und ich werde auch nicht nachgrübeln, warum das so ist.
    Meine Tochter Hanna wird 2012 fünf Jahre alt sein. Vielleicht wird sie mir von der Tribüne zuschauen können, wenn ich als Teilnehmer des deutschen Teams bei der Eröffnungsfeier in London für die Paralympics im Stadion stehe.
    Durch den Sport habe ich kämpfen gelernt, auch gegen mich selbst. Wenn ich beim Langmarathon fünf Stunden auf dem Rad sitze bei zehn Grad und Dauerregen, dann habe ich im Rennen überhaupt keinen Bock mehr und will absteigen, weil
das Ziel noch 20 Kilometer weit weg ist. Aber genau deshalb, weil es das Ziel ist und Absteigen für mich eine Niederlage bedeuten würde, muss ich es auch erreichen. Dann beißt du die Zähne zusammen. Dann kämpfst du und trittst in die Pedale, bis du angekommen bist. Da gehe ich manchmal über meine bisherigen Grenzen. Das Glücksgefühl, es gegen alle Widerstände geschafft zu haben, ist jeder Niederlage vorzuziehen. Stefan geht das genauso.«
    Ein Sieg für den Vater
    »Im Sommer 2010 bin ich die Transschwarzwald mitgefahren – das war ein Rennen mit sehr widrigen Bedingungen. Mein erstes Etappenrennen über 500 Kilometer Gesamtdistanz in sieben Tagesetappen bei vier Tagen Dauerregen, wobei insgesamt 15 000 Höhenmeter an Steigungen zu überwinden waren. Kaum Straßen, meistens Waldwege, Schlammpassagen und Singletrails, schmale Steige, felsig mit viel Wurzelwerk – und bei jeder Unachtsamkeit ›sturzgefährlich‹. Ich habe einen sehr guten
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