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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt
Autoren: Åsa Nilsonne
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Ljunggren. Mariam war das recht. Jetzt konnte sie Arbeit aufholen. Der einzige kleine Nachteil bei Salomon war, dass es Zeit kostete, mit ihm zu sammen zu sein.
    Sie setzte sich an ihren Computer und sah sich an, was Professor Paterson ihr diesmal geschickt hatte. Es gab etli che Nachuntersuchungen nach Tumoroperationen, einige Lungen, von denen eine mit großer Wahrscheinlichkeit ei nen Tumor aufwies, und einen sehr kleinen Brustkrebs.
    Sie brauchte zwei Stunden.
    Danach schaltete sie den Computer aus und trat hinaus auf die Terrasse, die auf drei Seiten um das Haus lief. Die Luft war kühl und angenehm, und sie dachte an ihre Lunge. Sie hatte das Gefühl, in sich hineinblicken zu können. Die Abendluft existierte um sie herum und in ihr, und sie kam ihr ein wenig vor wie Fruchtwasser, in dem sie sich ausru hen konnte, fast schwerelos, so, wie sie dort stand.
     
    Der nächste Tag fing gut und schlecht zugleich an - Mari ams Termin mit dem Krankenhausleiter, bei dem über die Räumlichkeiten für ihr radiologisches Zentrum gesprochen werden sollte, wurde abgesagt. Seine Schwester war gestor ben, noch einer dieser vielen Todesfälle unter jungen Men schen, und er bat darum, den Termin in der folgenden Wo che nachzuholen.
    Sie schaute in ihren Terminkalender. Zwischen vierzehn und siebzehn Uhr gab es plötzlich drei freie Stunden.
    Drei ganze Stunden.
    Während sie sich die leeren Zeilen ansah, machte sie eine ganz neue Entdeckung. Zum ersten Mal seit vielen Jahren wollte sie ihre Zeit nehmen und damit fliehen. Sie aus dem Krankenhaus hinausschmuggeln und sie für sich selbst ver wenden. Und warum auch nicht?
    Salomon hatte ihre Prioritäten verändert, und sie dachte an ihn mit einem kleinen Schauer der Erwartung, als ste cke die Erinnerung an ihn in ihrer Haut. Zugleich stellte sich ein warnender Gedanke ein: Sie brauchte ihre Kraft für ihre Arbeit. Sie durfte bei der Arbeit nicht nachlassen. Ihrer Haut waren diese Gedanken egal, sie fühlte sich an wie die Oberfläche eines Meeres, mit kleinen feinen Kräuselwellen, die kamen und gingen.
    In einem Anfall von Großzügigkeit gab sie ihrer Sekre tärin frei und schlenderte dann hinaus in die Sonne, die wärmte, obwohl es kühl war. Auch das hatte ihr in Genf gefehlt - die Nähe zur Sonne. Sie blieb für einen Moment stehen und genoss die Photonen, die ihre Haut bombar dierten, die dort verharrten und Wärme erzeugten.
    Jetzt würde sie ihr Auto holen, nach Hause fahren, sich mit sich selbst beschäftigen. Vielleicht ein Bad nehmen, mit Badeöl. Sich ausruhen. Sich auf das Essen mit Salo mon vorbereiten.
    Sie fuhr langsam über die holprige Straße zu ihrem Haus, das so geborgen hinter der hohen Mauer lag. Das Metalltor war frisch gestrichen, in hellem Sonnengelb, und sie hupte, damit ihr Zabagna, ihr Wächter, zum Öffnen kam.
    »Salomon ist schon da«, teilte er mit, während er für das Auto das Tor öffnete.
    Auf ihren überraschten Blick hin fügte er unsicher hinzu:
    »Er hat gesagt, er sei auch heute hier eingeladen …«
    Sie nickte. Sicher. Es war zwar eine Einladung zum Abendessen, aber das konnte der Zabagna ja nicht wissen. Sie stieg aus dem Auto, hin und hergerissen zwischen ih rem Körper, der lebendig geworden war, und ihrem Intel lekt, der die Frage dagegenhielt, was hier eigentlich vor sich ging.
    Sie fand ihn vor dem Computer, unbequem gebückt über ihren niedrigen Tisch.
    Ein Teil ihres Gehirns reagierte blitzschnell auf seinen langen Rücken, auf seinen Hals, den sie so heftig geküsst hatte, dass er ein Polohemd hatte tragen müssen, auf seine langen schmalen Finger, die immer die richtige Stelle fan den. Dieser Teil ihres Gehirns schlug vor, zu ihm zu schlei chen und ihn auf die glatte Haut unter dem Ohr zu küssen. Er wollte, dass sie ihn von hinten umarmte, dass sie lang sam sein Hemd aufknöpfte, ihn streichelte, so dass er sich gegen sie sinken ließ, dieser Teil verlangte, dass ihre Hände zu seinem Gürtel weiterwanderten.
    Ein anderer Teil ihres Gehirns registrierte, was auf dem Bildschirm zu sehen war.
    Ihre Patientendateien.
    Die großen Bilddateien konnte er nicht öffnen, aber sie waren datiert und in bezahlt/nicht bezahlt eingeteilt. Die ser Teil ihres Gehirns verlangte, dass sie schrie: »Aber was zum Teufel machst du da! Das ist privat!« Dieser Teil woll te, dass sie ihn vom Stuhl riss, ihn an die Wand drückte, eine Erklärung forderte.
    Die beiden Impulse kollidierten, lähmten sie für einen Moment.
    Und er drehte sich um, sah
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