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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten
Autoren: Marcia Muller
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falsch. Und alles, das mir etwas bedeutete, sagte: Was du
tust, ist richtig.
    Ein, höchstens zwei tödliche Schüsse.
Eine Waffe hat nur einen Sinn: Wenn man sie benutzt, muß man darauf gefaßt
sein, ein Leben auszulöschen.
    Der Lärm unten hatte weiter zugenommen.
Salazar bewegte sich vorwärts in aufrechter Haltung und mit sicherem Schritt.
Er hob die Pistole, war schußbereit.
    Ich zielte auf ihn und wartete, bis er
völlig Stillstand.
    Dann drückte ich auf den Abzug.

Dienstag, 15. Juni
     

32
    »Hör mal, Shar, du bist reich! Was
wirst du mit all dem Geld anfangen?«
    »Sparen für die Zeit, wenn meine
Arbeitslosenunterstützung ausläuft«, sagte ich zu meinem Bruder.
    John, Hy und ich saßen auf der
gestohlenen Parkbank auf Johns Hügel, tranken Bier und betrachteten den
Sonnenuntergang. Seit vier Uhr nachmittags saßen wir schon hier, und jetzt
waren wir ein bißchen angeheitert und schwindelig. Morgen würden wir das
vielleicht bereuen. Doch jetzt überwog das angenehme Gefühl, in guter
Gesellschaft zu sein. Von Johns Lieblingsitaliener war eine Pizza zu uns
unterwegs, und mir war es gelungen, die schrecklichen Bilder wegzuschieben, die
mich heimzusuchen drohten.
    Bilder wie das von der zu Boden
stürzenden Ann Navarro, als Jaimes Kugel ihr den Schädel zerschmettert hatte.
Wie das von der Flucht durch den Smuggler’s Gulch in den mondlosen frühen
Morgenstunden. Wie das von dem Mord, den ich auf dem Damm oberhalb der Monument
Road begangen hatte.
    Jetzt wehrte ich mich nicht mehr länger
gegen diese Bilder...
    An dem Mord gab es nichts zu
beschönigen. Gewiß, Polizei und Staatsanwaltschaft würden es Notwehr nennen.
Gewiß, Lieutenant Gary Viner hatte mir dazu gratuliert, daß ich das County von
einer der übelsten Gestalten befreit hatte. Aber ich hatte kaltblütig einen
Mann erschossen. Hatte ihn ums Leben gebracht, damit meine Leute durchkamen.
    Hy sah mich an, runzelte die Stirn und
berührte meine Wange. »Nicht weiter brüten.«
    »Ich brüte nicht.«
    »Aber sicher. Das sehe ich immer
sofort.«
    »Sie neigte schon immer zum Brüten«,
sagte John.
    Die beiden wechselten weise Blicke. Ich
seufzte.
    Der gestrige Tag war mit der Versorgung
von Hys Wunde vergangen und mit endlos scheinenden Formalitäten bei der
örtlichen Polizei, dem FBI und RKI. Dann waren wir zu meinem Bungalow im La
Encantadora gefahren und hatten fast rund um die Uhr geschlafen. Nach einem
späten Lunch war ich schließlich mit Hy hierher gekommen. John hatte ihn mit
dem Argwohn begrüßt, den ein großer Bruder an den Tag zu legen pflegt, wenn er
den Freund seiner kleinen Schwester kennenlernt. Dann entdeckten sie ihre
gemeinsame Liebe zu Beck’s Bier, Baseball, Western und Wandern. Hy erzählte
John von seiner Sammlung von Westernromanen und — filmen. John zeigte Hy seine
Stereoanlage. Zu dritt hatten wir angeregt über Politik, Sport, das Problem der
illegalen Einwanderung und die Zukunft unseres Planeten diskutiert und warum
man nirgends in Kalifornien ein anständiges Brathähnchen bekam. Zugegeben, mir
war etwas unwohl dabei, wie wunderbar wir mit allem zurechtkamen. Zugleich war
ich aber auch erleichtert: Die Entführung und mein tödlicher Schuß auf Salazar
hatten breite Beachtung in der Presse gefunden. Ich hatte gefürchtet, der Schuß
würde die Barriere zwischen John und mir wieder aufrichten. Doch er hatte
Salazar selbst erlebt. Er wußte, gegen was für einen üblen Kerl ich da antreten
mußte. Daß ich John in meine Ermittlungen einbezogen hatte, war seine Chance
gewesen, einen kleinen Blick auf die Realität meines Berufs zu werfen, den er
nie vergessen würde. Das Band zwischen uns war stärker geworden.
    Die Sonne versank nun hinter den
Yuccapalmen, und wir fielen in Schweigen. Nach einer Weile fragte John: »Du
hast doch inzwischen verkraftet, daß Ma und Melvin sauer auf dich sind?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das werden
sie schon fast überwunden haben.« Meine Mutter und Melvin Hunt hatten von
unserem Grenzübertritt und der Schießerei aus dem Fernsehen erfahren, bevor ich
sie selbst hatte anrufen können. Seltsamerweise schien meine Mutter sich mehr
darüber geärgert zu haben, daß ich tagelang in San Diego gewesen war, ohne mich
bei ihnen zu melden, als daß ich wieder einmal mein Leben riskiert hatte.
Melvin hatte mich nur gebeten, meine Mutter nicht noch einmal so aufzubringen.
In seinem fortgeschrittenen Alter, hatte er auf seine sarkastische Art gesagt,
würde das sein Herz nicht mehr
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