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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten
Autoren: Marcia Muller
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hatte die Unruhe wieder
nachgelassen. Im nahen Cañon rief jemand etwas, aber die Worte, die als Echo
zurückgeworfen wurden, waren nicht zu verstehen. Mojas blieb stehen.
    »Es ist soweit.«
    Ich sprang auf, und Adrenalin schoß mir
ins Blut. Hy kam langsamer hoch. Er packte Mourning am Arm und half ihm auf.
    »Rauf und hinüber«, sagte Mojas. »Wenn
Sie drüben sind, gehen Sie weiter nach unten. Dann kommen ein paar Büsche. Dort
warten Sie. Wenn ich sehe, daß die Luft rein ist, rennen wir in den Cañon
hinunter. Es ist sehr steil. Auf halber Strecke liegt ein Haufen Felsbrocken.
Da halten wir wieder, und dann geht es etwas langsamer weiter. Wenn ich mit den
Fingern schnippe, folgen Sie mir. Wenn ich stehenbleibe, bleiben Sie auch
stehen. Und kein Wort, bis wir an dem großen Abflußrohr an der Monument Road
sind. Verstanden?«
    »Verstanden«, sagte ich.
    Hy und Mourning nickten.
    »Dann los.«
    Rauf und hinüber! So leicht, wie Mojas
behauptet hatte, war das gar nicht. Die Zaunpfosten waren eiskalt, die Wände
glitschig. Ein Fuß fand Halt, verlor ihn und fand ihn erneut. Ich war halb
oben, als ich abrutschte und mich am Boden wiederfand. Dabei zerrte ich mir den
Arm, mit dem ich mich am Pfosten festhielt.
    Mojas war schon auf der anderen Seite.
Hy saß rittlings auf dem Zaun und zog Mourning hoch. Ich griff wieder nach dem
Pfosten und kletterte hoch. Und wieder glitten meine Füße ab. Ich knirschte
niedergeschlagen mit den Zähnen.
    An den Pfosten geklammert, suchte ich
einen sicheren Halt für den rechten Fuß. Dann zog ich den linken nach und
kletterte vorsichtig weiter. Schließlich hatten meine Finger den oberen Rand
erreicht. Ich suchte einen festen Halt und zog mich mit aller Kraft nach oben.
    Ich rollte mich nun über die Oberkante,
den Oberkörper voran. Einen Moment lang hing ich in der Schwebe, verlor dann
das Gleichgewicht und plumpste hinunter. Auf amerikanischen Boden.
    Zu Hause, und doch noch nicht zu Hause.
Im Niemandsland voller bekannter und unbekannter Gefahren. Banditen machten
keinen Unterschied, ob sie einen amerikanischen Staatsbürger vor sich hatten
oder nicht. Ebensowenig skrupellose Kojoten oder Tijuana-Cops.
    Ich war hart auf allen vieren gelandet,
schnellte hoch und suchte die anderen. Nichts als Finsternis. Die Nacht war so
schwarz, daß ich gerade anderthalb Meter weit sehen konnte. Blind lief ich den
Hang hinunter, stolperte über Steine und rutschte auf Kieseln aus.
    Vor mir sah ich jetzt Schatten. Der
Hang wurde steiler. Durch das Gefälle vorwärts geschoben, versuchte ich das
Gleichgewicht zu halten. Mit vorgestreckten Armen landete ich in einem
trockenen, stacheligen Gebüsch.
    Eine Hand griff nach mir und bewahrte
mich vor einem Sturz. Es war Hy. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, erkannte ihn
aber an der groben Struktur seiner Wolljacke. Mein Atem ging stoßweise, doch
während ich wartete, wurde er wieder ruhiger.
    Nach einer Weile schnippte Mojas mit
den Fingern. Er kam aus dem Gebüsch hervor — ein pfeilschneller Schatten schoß
bergab. Ein zweiter Schatten folgte: Mourning. Ich stieß Hy an, und er lief vor
mir her.
    Der nächste Halt waren die Felsbrocken.
Wieder warten. Wieder ein Fingerschnippen.
    Jetzt ging es langsamer und im Zickzack
weiter. Das Gelände wurde noch steiler und felsiger. Aber die Vegetation wurde
dichter. Der Himmel lag wie eine schwarz lackierte Schüssel über dem Cañon.
Kaktusstacheln ritzten meine Kleider.
    Hier unten lebten die Tiere der Nacht.
Skorpione und Kojoten, echte, und auch Klapperschlangen...
    Denk nicht daran.
    Und es gab andere Menschen hier. Ich
spürte ihre Gegenwart und hörte leise, verräterische Geräusche. Pollos in höchster Angst. Und ihre Kojoten, von denen man weiß, daß sie ihrer eigenen
Kundschaft für ein paar Pesos an den Kragen gehen. Und dann die Banditen.
    Auch daran nicht denken.
    Und schließlich la migra — mein
Gott, jetzt betrachtete ich unsere eigenen Grenzpatrouillen schon als Feinde!
Aber in gewisser Weise waren sie das auch. Wenn sie uns erwischten, würden sie
wissen wollen, was wir hier machten. Erzählten wir ihnen von der Entführung,
würden sie wissen wollen, warum wir nicht das FBI gerufen hatten. Hatte ich
nicht auch irgendwo gelesen, daß unseren Grenzpatrouillen von einer
Menschenrechtsorganisation exzessive Übergriffe vorgeworfen wurden?
    Wir befanden uns jetzt fast auf der
Sohle des Cañons. Mojas hob die Hand. Ich blieb stehen, und er zog mich
hinunter neben einen Steinhaufen. Mourning
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