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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten
Autoren: Marcia Muller
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    John stand auf. »Inzwischen prahlen sie
wahrscheinlich bei ihren Freunden mit dir. Hör mal, wenn der Pizzabote kommt,
kannst du ihn bezahlen. Du bist jetzt reich, und ich muß mal eben eine Träne
für Garfield vergießen.«
    Ich sah ihm kopfschüttelnd nach, wie er
den Hang hinauf zum Haus schlurfte. ›Eine Träne für einen toten Präsidenten
vergießen‹ — war auch so einer dieser übertriebenen Euphemismen, die meine
Mutter liebte, und John zitierte sie nur, weil er wußte, daß mich das ärgerte.
Normalerweise hätte er einfach gesagt, er gehe pinkeln.
    »Du bist jetzt also reich, hm?« sagte
Hy. »Und nicht nur das. Du bist auch noch stolze Besitzerin eines
Fünfundsiebzig-Dollat-Seiden-Papageis.«
    »Ich kann es gar nicht abwarten, W. C.
meinen Katzen vorzustellen. Und ich bin in der Tat reicher denn je. RKI war
sehr großzügig.« Renshaw hatte, wie verabredet, mit einem Firmenwagen und zwei
dicken Umschlägen mit Bargeld auf uns gewartet, als wir die alte Molkerei
erreichten. Doch weil ich Salazar niedergeschossen hätte, konnten wir nicht
gleich davonfahren. Der rote Verband war verdächtig, und die Konferenz mit dem
FBI — die Versicherungsgesellschaft hatte die Entführung schließlich doch
gemeldet — war strapaziös gewesen. Dann hatten wir uns mit Renshaw, Dan Kessell
und einigen Mitarbeitern zu einem abschließenden Gespräch zusammengesetzt.
Bevor wir uns verabschiedeten, hatte uns Dan Kessell — ein blonder, stämmiger
Mann, dem man seinen früheren Beruf, nämlich Marineoffizier, durchaus ansah —
noch je einen Scheck überreicht. Er lautete noch einmal auf dieselbe Höhe wie
der Barbetrag, den wir bereits erhalten hatten. Renshaw sagte, er würde sich
wieder melden. Für meine Person hoffte ich, er würde mich in Ruhe lassen.
    »Jetzt sind sie großzügig«, sagte Hy bitter.
»Aber noch vor einer Woche wollte Renshaw mich erschießen, sobald ich ihm über
den Weg liefe.«
    »Er ist heftig und jähzornig. Das mußt
du gewußt haben, bevor du dich mit ihm eingelassen hast.«
    Er schwieg.
    »Hast du jemals vor, mir aus dieser
Zeit zu erzählen?« Zum erstenmal hatte ich den Nerv, ihn geradeheraus zu
fragen, und es fiel mir überraschend leicht.
    »...Irgendwann vielleicht einmal. Ich
arbeite daran. Es ist schwer, über etwas zu sprechen, das man noch keiner
Menschenseele gesagt hat.«
    »Nicht einmal Julie?«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Sie
ahnte das eine oder andere, aber ich konnte ihr nichts sagen. Ich habe sie
geliebt, aber sie war so eine... Puristin. So eine Idealistin. Ganz anders als
du.«
    »Danke, Ripinsky.«
    Er hob mein Kinn in die Höhe und sah
mir in die Augen. »War nicht so gemeint, wie es klang. Es sollte ein Kompliment
sein. Du stehst mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, du siehst der
Realität ins Gesicht, wie unangenehm sie auch sein mag. Du weißt in jeder
Situation, was du zu tun hast.« Er lächelte selbstgefällig. »Du bist genau wie
ich.«
     
    Zehn Minuten später war John noch immer
nicht zurück. Wahrscheinlich wollte er uns etwas Zeit allein gönnen. Die
Schatten der Yuccapalmen wurden länger und schimmerten in der Dämmerung
blutrot. Die Autos unten auf den Straßen schalteten die Scheinwerfer ein. Ein
Wagen hielt an der Einfahrt. Die Tür ging auf und wurde zugeworfen. Ich stand
auf, um zu sehen, wer es war. Eine lange, schlanke Gestalt kam den Hügel
herauf.
    Gage Renshaw.
    Auch Hy stand auf. »Was will dieser
Hundesohn hier?«
    Ich zuckte mit den Schultern und
beobachtete Renshaw. Er kam mit seinen langen, schlaksigen Schritten die
Auffahrt herauf und trug denselben zerknitterten Anzug und dieselbe
ausgefranste Krawatte wie am Tag zuvor. Ich fragte mich, ob dieser Mann
überhaupt anständige Kleidung besaß.
    Renshaw entdeckte uns und kam auf uns
zu. Bevor er etwas sagen konnte, meinte Hy: »Glauben Sie nicht, Gage, wir haben
diese Woche schon Zeit genug miteinander verbracht?«
    »Nun seien Sie mal nicht so
empfindlich, Ripinsky.«
    Hy blickte ihn angewidert an.
    »Laß Mr. Renshaw doch sagen, warum er
hier ist«, sagte ich.
    »Sie können mich ruhig beim Vornamen
nennen, Sharon.«
    Ich ignorierte das. »Warum sind Sie
also hier?«
    Einen Augenblick lang schien er nach
Worten zu suchen — gewiß ein seltener Zustand für ihn. Dann sagte er: »Ich habe
Neuigkeiten und zwei Angebote für Sie. Erstens, Fontes und Julio Sandoval, Ann
Navarros Kontaktmann in der Finanzabteilung von Colores, wurden gestern
nachmittag
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