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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien
Autoren: Christian Springer
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gehen? Kommen die ganzen Flüchtlinge nun zu uns? Was ist mit dem Fonds für die nordafrikanischen Solarenergieanlagen?
    Greift die Reiserücktrittsversicherung?
    Die Amerikaner finden, stellen und töten Osama bin Laden und schmeißen seine Leiche ins Meer. Und in Deutschland überlegt man sich, ob man dem gestürzten ägyptischen Präsidenten Mubarak ein Exil in Heidelberg anbieten soll. Die ägyptischen Revolutionäre finden aber, dass er erst einmal vor ein ägyptisches Gericht gehört.
    Und Gaddafi? War der nicht sogar ein bisschen süß, als er in jeder Hauptstadt der Welt sein Zelt aufstellen wollte? Als er beim Staatsbesuch in Italien die 300 langbeinigsten Mädchen in seine Beduinenbehausung bestellte, um ihnen den Koran zu schenken, hatte auch Berlusconi seine Freude daran, weniger am Koran als an den Models natürlich.
    Es funktionierte eigentlich ganz gut mit den arabischen Machthabern. Mubarak hielt uns den Suezkanal frei, der marokkanische König vertrieb al-Qaida aus den Surfparadiesen, Assad ließ die CIA in den syrischen Gefängnissen foltern, und Gaddafi bekam Geld dafür, dass er die afrikanischen Bootsflüchtlinge nicht nach Europa ließ. Und allen miteinander wurde die Hoffnung gemacht, noch ein paar Milliarden mehr auf ihre Konten zu bekommen, wenn sie uns ihre Wüsten für unsere Solaranlagen zur Verfügung stellten. Und dann kommen diese arabischen Chaoten daher, ziehen brüllend durch die staubigen Straßen, werfen ihre Schuhe auf die Bronzestatuen und campieren so lange wild in den Stadtzentren, bis die Staatschefs das Weite suchen.
    Doch jetzt? Wohin geht Arabien?
    Und das Wichtigste: Was hätten wir denn gerne? Offiziell müssen wir die Demokratie verlangen. Das ist natürlich Quatsch und wünscht sich in Wahrheit keiner. Schließlich ist die Gefahr zu groß, dass sich dort ein ähnliches Personal herausbildet wie bei uns: ein Hadschi Abu Westerwelle aus Hadramaut, den keiner mag und der immer mit viel zu großer Klappe unterwegs ist. In Ägypten herrscht dann eine Fatima Merkel, die immer wieder das ausgetrocknete Wadi von el-Opel flutet. Und der alte jordanische Scheich Ibn Heina Geißler kümmert sich darum, dass das Tote Meer nicht noch tiefer gelegt wird.
    Monarchien wiederum wären da genehmer. König und Königin empfangen mit Pomp und Prunk. Sie trägt das neueste Chanel-Kostüm, er die Beduinentracht. Dann lässt man Wasserpfeifen, Schlangenbeschwörer und Bauchtänzerinnen kommen, darauf steht ganz Europa. Außerdem kann ein König regieren wie ein Diktator, aber es wirkt netter.
    Ach, wir würden so gerne bei der Besetzung der wichtigsten Ämter mitreden. Aber die Araber sind stur. Obwohl sie zum Teil selbst noch gar nicht so genau wissen, was sie wollen. Damit gefährden sie nicht nur unser Solarprojekt in der Wüste. Ob sie uns weiterhin so brav mit Öl versorgen wie bisher, steht sowieso in den Sternen.
    Nur eins steht fest: Der Tourismus bleibt.
    Womöglich in veränderter Form, aber nicht weniger abenteuerreich. Nehmen wir einmal an, der Touristenstrom in die Clubs und Resorts verebbt. Die Strandbungalows bleiben leer, die Pools, an denen sich einst frustrierte alleinerziehende Sekretärinnen mit ihren ungezogenen Schreihälsen tummelten, versanden. Und plötzlich wittern Hauser, Studiosus und andere Expeditionsanbieter wieder ein Geschäft: die Abenteuerreise in verlassene Urlaubsresorts. Die Goldgräberstädte des Wilden Westens hat man gesehen, ganz oben steht jetzt die » Djerba-Expedition«. Dicke Kataloge werben für die » Geisterhotels von Agadir«. Europäische Touristen, die schon alles erlebt haben, werden sich massenhaft auf die Angebote stürzen. Wer in Alaska auf Tuchfühlung mit Eisbären war, im Dschungel Südostasiens durch die Vietconglabyrinthe kroch und in Irland mit dem Hausboot durch die Lande tuckerte, der streift jetzt mit Taschenlampe bewaffnet durch die dunklen Hotelgänge des einstigen Robinson-Clubs auf der Insel Djerba. Der Tennisplatz ist übersät mit stacheligem Kakteengewächs, ein zerknülltes Taschentuch ragt noch aus dem Sand. Die Discokugel auf der Tanzterrasse schwingt quietschend hin und her. Vor der ramponierten Rezeptionstheke liegt eine angebrochene Präsentationstafel, auf der ein zerrissener Zettel über das einstige Tagesprogramm informiert. Die Handschriftenexperten unter
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