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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien
Autoren: Christian Springer
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Kriminellen feiern konnte. Mustafa Tlass und sein ganzer Clan sind bis heute gefürchtet in Syrien. Er zählt zu den » Schlächtern von Hama«. Nur 24 Monate vor dem Strauß-Besuch fühlte sich die Regierungsclique bedroht. Die Muslimbrüder versuchten einen Putsch, und die Rache war fürchterlich. Die altehrwürdige Stadt Hama, die als Zentrum der Putschisten galt, wurde tagelang bombardiert, die Altstadt dem Erdboden gleichgemacht. Tausende von Soldaten, Panzern, Bomben haben nicht nur die Aufständischen als Ziel, es kommt zu einem riesigen Massaker. Die Welt erfährt davon so gut wie nichts. Womöglich bis zu 30 000 Syrern, darunter Frauen, Kinder und unzählige Unschuldige, sterben durch Massenerschießungen, Folter und in Sippenhaft. Seither spricht niemand mehr in Syrien über Politik. Die Angst regiert noch Jahrzehnte danach.
    Im September 1986 gibt Tlass dem Spiegel ein Interview: » Ich liebe Strauß, mein Herz schlägt für Bayern. Von Zeit zu Zeit kommt Strauß zu uns, oder wir besuchen ihn, um über die internationale Lage und arabische Politik zu sprechen. Stets sind wir einer Meinung.«
    Nun, man sollte dem schnurrbärtigen Tlass nicht alles glauben. Als die Syrer ihre Hand im Spiel hatten, als in Beirut die westlichen Militärs schlimmsten Terrorangriffen ausgesetzt waren, wurden hauptsächlich die Amerikaner und die Franzosen bombardiert. Italienische Soldaten schonte Tlass, weil er angeblich in Gina Lollobrigida verliebt war. Und sie in ihn, er schwöre es. Zudem hätte er auch einen Liebesbrief von Lady Diana an ihn.
    Die wahre Geschichte über Strauß und sein politisches Handeln kann nie mehr geschrieben werden. Die Stasi hat zwar alles detailgenau aufgezeichnet, doch die Akten über Strauß wurden nach der Auflösung der DDR kurzerhand vernichtet. Nach den Aufzeichnungen der CSU war er viermal in Syrien. Einmal wollte er dabei Arafat treffen. Aber der ihn nicht. Also fuhr er zurück in die Villa von Tlass. Der Übersetzer Halabi trägt mir auf, schöne Grüße an die Kinder von Strauß auszurichten, wenn ich sie treffe. Sagen Sie: » Er war ein kräftiger Mann.«
    Ich kenne die Kinder von Franz Josef Strauß.
    Also: Grüße aus Syrien!

Karl Marx
    Wo: Algier
    Wann: 20. Februar 1882 bis 2. Mai 1882
    Warum: Bronchialbeschwerden
    I st das nicht skandalös? Karl Marx reist nach Algerien, um sich im milden Klima des südlichen Mittelmeeres auszukurieren. Das riecht nicht nur nach Kuraufenthalt, das ist Luxus pur, Verschwendung, Kapitalismus in Reinkultur. Der Vater des Kommunismus sollte sich schämen. Und es geht noch weiter. Die Weltherrschaft des Proletariats steht noch in weiter Ferne, da kauft Marx vor seiner Rückreise im afrikanischen Algier noch massenhaft Souvenirs ein, bourgeois und dekadent, wie ein moderner Pauschaltourist. Während sich in Europa der Arbeiter, ausgemergelt und ausgezehrt, mit seiner kranken Frau, deren zwei Schwestern und den 28 Kindern, die sich alle ein einziges Paar durchlöcherter Schuhe teilen müssen, bei schummrigem Kerzenlicht in der feuchten Winzigkeit einer pestilenten Bretterbude am hintersten Ende einer nebligen Proletariergasse durch Das Kapital kämpft, das ihm den mühseligen Weg aus der Armut verheißt…Kaum eine andere Person der Weltgeschichte taugt so gut wie Karl Marx für Stammtischgeschwätz und Klischeeverbreitung. Wie viele mögen ihn für einen Zeitgenossen von Lenin und Stalin halten oder ihn mit Trotzki vertieft in einen kommunistischen Disput sehen? Dazu so viel: Als Karl Marx 1883 in London starb, war Trotzki vier, Stalin fünf und Lenin zwölf Jahre alt. Sie haben sich nie getroffen. In der stammtischfreien Wirklichkeit war Karl Marx ein Zeitgenosse Giuseppe Verdis, er war mit Heinrich Heine persönlich bekannt, und als Karl Marx drei Jahre alt war, starb Napoleon. Dass er Jude war, auch falsch. Marx’ Vater war Jude, nahm aber den evangelischen Glauben an. Karl Marx war auf einem Jesuitengymnasium. Wohl aber wahr ist, dass er diesen Rauschebart hatte, diese gewaltige Löwenmähne um den runden Schädel. Aber auch das sollte sich in Algerien ändern.
    In der real existierenden DDR musste der Name des grauhaarigen Opas für alles herhalten, was der Mensch in einer Stadt braucht: Straßen, Brücken, Schulen, Türme, Züge, Universitäten, Kindergärten, sogar für eine ganze Stadt, bevor
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