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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien
Autoren: Christian Springer
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ist nicht bewiesen, aber möglich. Wenn ein hochrangiger deutscher Politiker, und das ist ja ein bayerischer Ministerpräsident, ein Land dieses Kalibers besucht, dann verlangt das höchstes diplomatisches Geschick und Fingerspitzengefühl. Am 16. Februar 1984 trifft sich Franz Josef Strauß mit Assad in Damaskus. Ohne vorherige Absprache, ohne Anruf, nichts. Bundeskanzler Kohl erfährt es aus der Zeitung, tobt. Die CDU in Bonn tobt auch, die Bundesregierung ebenso. Die Antwort des Bayern fällt so aus: » Ich lehne es ab, einen Reiseantrag zu stellen. Der Papst war auch nicht informiert.« Die Lacher waren auf seiner Seite.
    Viele Jahre später stehe ich, Strauß war längst tot, an einem Kiosk in Damaskus, um eine Zeitung zu kaufen. Niemand hat es eilig, ein Plausch geht immer, Kundschaft kommt, Kundschaft geht. Bis sich ein älterer Herr einmischt, seine abgetragene Aktentasche unterm Arm, und sehr neugierig wird, als wir darauf zu sprechen kommen, dass ich aus Bayern angereist bin. » Kommen Sie mit, kommen Sie mit.« Er spricht gut Deutsch und führt mich nebenan in ein Hochhaus am Merje-Platz, in dem er im 12. Stock sein Büro hat. Es besteht aus zwei kleinen hintereinanderliegenden Zimmern. Der erste Raum mit den durchgesessenen Sofaecken dient als Warteraum, im hinteren, zum Platz hinaus, steht ein Schreibtisch, überladen mit Papieren, Zetteln, Bürokram. Wir trinken Tee, dabei zieht er ein großes Buch aus einem Regal. Auf dem Buchdeckel prangt das lachende Gesicht des bayerischen Ministerpräsidenten mit Trachtenhut. » Ein starker Mann! Viel Kraft!« Halabi war mehrmals als Übersetzer dabei, wenn Strauß in Syrien den Präsidenten traf. Stolz präsentiert er mir die persönliche Widmung auf der zweiten Seite. Leider hindert ihn seine eingebildete diplomatische Schweigepflicht, die wirklich guten Anekdoten preiszugeben. Und die gab es, lächelt er. Nur so viel, Strauß habe nie im Hotel gewohnt, sondern bei seinem Freund Mustafa Tlass. Mustafa Tlass ist natürlich nicht irgendein Biergartenspezi, sondern der syrische Verteidigungsminister. Er gehört zu der Sorte von Freunden, von der die Mama sagen würde: der kommt mir nicht ins Haus. Außer Militär hat Tlass nichts anderes gelernt. Er verleiht Orden an einen syrischen Soldaten, der eigenhändig mit der Axt 28 Israelis getötet und dabei einem der Opfer ein Stück Fleisch herausgeschnitten und verspeist hat. Das gefällt Tlass.
    Er ist jetzt über 50, und wie viele Sadisten schmückt auch er sich mit der Liebe für die Literatur. Schon in der Jugend verfasste er Gedichte. Trotz dauernder Kriege mit Israel füllt ihn das Kriegshandwerk anscheinend nicht aus, und er gründet einen Verlag und schreibt weiter. Darunter eine Wiederauflage des weltweit geächteten antisemitischen Pamphlets Die Protokolle der Weisen von Zion. Die nationalsozialistische Wehrmacht steht in Syrien im höchsten Ansehen, alte Nazis stehen in syrischem Sold, da liegt es auf der Hand, entsprechende Literatur wieder aufzulegen. Der syrische Verteidigungsminister Mustafa Tlass verlegt ein Buch im Taschenbuchformat, knapp 500 Seiten dick: Kifachi. Das ist die wörtliche Übersetzung von Mein Kampf ins Arabische. Bis in die neunziger Jahre liegt es in den Schaufenstern der syrischen Buchläden. Die syrische Ausgabe ist etwas gekürzt und mit Anmerkungen versehen, und zwar von Tlass. Prekär, was der Strauß-Freund da anstellt. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg übertrugen die Amerikaner dem Freistaat Bayern die Urheberrechte für das Machwerk, das im Dritten Reich zehnmillionenfach unter das deutsche Volk gestreut worden war. Die Rechteübertragung sollte den Nachdruck der Hitler-Schrift für immer und ewig verhindern. Natürlich gelingt das nicht. Die Fangemeinde ist zu groß. Mein Kampf gibt es in allen Sprachen dieser Welt, sogar auf Hebräisch. Doch es ist wohl ein Treppenwitz der Weltgeschichte: Franz Josef Strauß, in diesem Augenblick oberster Hüter über den Giftschrank der Nazis, wird bewirtet von einem Wehrmachtfan, der Geld mit dem Verkauf ebendieser illegalen Hetzschrift macht. Wenn man bedenkt, wie hemmungslos menschenverachtend Franz Josef Strauß im Bierzelt über harmlose Studenten herzog, die ein paar Krümel Haschisch in der Hosentasche hatten, fragt man sich, wie er ausgelassene Partys am Pool eines Mörders, Waffenhändlers und
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