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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Autoren: Andrea Walter
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handelten, in die die Vorfahren auf der Insel verwickelt waren. Sie sind, wenn man so will, der Gründungsmythos der isländischen Nation – noch dazu auf höchstem literarischem Niveau, weshalb sie auch der bedeutendste Beitrag des Nordens zur Weltliteratur sind. Aber dazu später mehr. Jetzt erst mal so viel: Die Isländer lieben Geschichten und sie hassen es, wenn sie langweilig sind.
    In keinem anderen Land gibt es pro Kopf mehr Schriftsteller und werden pro Kopf mehr Bücher publiziert als in Island. 2,5 Millionen Bücher werden jährlich verkauft. Das sind knapp acht pro Einwohner. In Island gibt es sogar ein Sprichwort, das heißt »Besser barfuß als ohne Buch« – und das will etwas heißen in diesem Land. Außerdem ist es auffällig, wie pointiert die meisten Isländer erzählen, wie geschickt sie fabulieren und mit Worten spielen. Wobei man sich beim Erzählen übrigens nicht immer sklavisch an die Wahrheit hält, wenn es der Geschichte dient. Man ist da schlichtweg nicht so streng.
    Einmal treffe ich zum Beispiel einen Mann von den Westmänner-Inseln, die an der Südküste liegen. Er erzählte, er sei einmal mit einem kleinen offenen Boot mit Außenbordmotor von dort zu den Färöer-Inseln gefahren, um einen einzigen Tanz mit seiner Angebeteten zu tanzen. (Die Färöer-Inseln sind über 600 Kilometer entfernt.) Aber der Mann erzählte seine Geschichte
so überzeugend, dass man fast meinte, sie sei wahr – und wer weiß, vielleicht ist sie das auch.
    Ein anderes Mal lese ich in einem Porträt des Autors Gyrðir Elíasson, das mein Kollege Pétur vom Morgunblaðið schrieb. Elíasson erzählte über seine Großeltern, die in Ostisland lebten: »In ihrer Generation gab es nicht eine solch strenge Trennung zwischen Wirklichkeit und Fantasie«, sagte der Autor. »Das merkte man immer dann, wenn meine Großeltern Geistergeschichten und andere Volksmärchen erzählten. Man betrachtete sie nicht als Geschichten auf Papier, sie waren ein Stück Realität. «
    Auch der Schriftsteller Jón Kalman Stefánsson erzählt von seinen Quellen der Inspiration, zu der ein Bauer gehörte, der für sein Leben gern Seemannsgarn spann: »Er ist ein guter Freund von mir, zeitlebens ein Meister der Übertreibung. Als Jugendlicher lauschte ich seinen Erzählungen über Feste und Märchen und glaubte ihm jedes Wort, weil er so überzeugend erzählte. Erst später wurde mir klar, dass die Hälfte des Erzählten Erfindung war, der Rest Schabernack. Aber das Bezaubernde an seinen Geschichten war, dass sie vollkommen real erschienen, während er sie erzählte – er schuf eine neue Welt neben der unseren. Und das ist genau das, was die Dichtung tun soll: eine Welt neben der Welt erschaffen.«

Morden im Norden
    Am nächsten Tag treffe ich Arnaldur Indriðason, den Krimiautor, der damals gerade seinen ersten Krimi Nordermoor in Deutschland herausgebracht hat (heute sind es längst 13 und er ist der erfolgreichste Krimiautor der Insel, der Henning Mankell Islands sozusagen). Mit seinem dunkelblauen Jeep holt er mich ab. Dazu muss man sagen, dass viele Leute in Island Geländewagen fahren. Man ist geradezu autovernarrt. Oft rollen riesenhafte, gepimpte Karossen durch die kleinen Straßen der Hauptstadt. Schließlich fährt man am Wochenende gern in die Natur. Mit dem Wagen versteht sich. Wieso manche Touristen so verrückt sind, mit dem Fahrrad über die Insel zu fahren, können die Isländer einfach nicht verstehen. Ich habe mal einen Isländer getroffen, der mit dem Fahrrad die Küste entlanggeradelt ist, woraufhin man an der Tankstelle sofort Englisch mit ihm sprach. Man konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ein Isländer eine Fahrradtour um die Insel machen würde.
    Regen peitscht gegen die Windschutzscheibe, während Arnaldur seinen Jeep durch die Straßen von Reykjavík lenkt. Der Autor ist groß, ein ruhiger Typ, im dunklen Parka, mit klaren,
blauen Augen, heller Haut und etwas, das ich schon von Gisli kenne: diesem verschmitzten Gesichtsausdruck, wenn er etwas erzählt.
    »Du kannst hier keine James-Bond-Geschichte schreiben, in der der Präsident entführt wird«, sagt Arnaldur gleich zu Beginn. »Die Isländer sind in solchen Dingen nämlich sehr skeptisch«, erklärt er. Der Präsident zum Beispiel hat in Island nicht einmal Bodyguards. Außerdem kann die Insel kaum mit spektakulären Gewaltverbrechen aufwarten. Es gibt gerade mal zwei oder drei Morde im Jahr. Und im Jahr 2003 keinen einzigen. »Du kannst auch keinen
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