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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Autoren: Andrea Walter
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»Nein, eigentlich wäre es ihm noch zu hell.« Erlendur liebt den Herbst und den Winter, wenn es dunkel und windig ist und das Tageslicht kaum durchkommt, erzählt er. Außerdem interessiert er sich für Menschen, die spurlos in der unberechenbaren Natur verschwinden.
    Wie Erlendur aussieht? »Er ist um die 50 Jahre alt«, sagt Arnaldur. »Manchmal trägt er einen Hut und eine Wollweste, an der Knöpfe fehlen. Manchmal ist er tagelang unrasiert. Und die Leute sprechen über die Traurigkeit in seinen Augen.« Arnaldur zuckt mit den Schultern. »Ich finde es nicht interessant über jemanden zu schreiben, der vier schöne Kinder hat, ein tolles Haus, ein gutes Auto und ein gutes Leben in Reykjavík«, sagt er. »In Tragödien und Verlust ist viel mehr Stoff.«
    Und das finden offensichtlich auch seine Leser. »Niemand hier will wissen, wer im nächsten Buch umgebracht wird«, sagt Arnaldur und guckt erstaunlich zufrieden für einen Krimiautor. Er lacht. »Die Leute möchten wissen, wie es Erlendur geht!« Manchmal wird er sogar auf der Straße angesprochen und gefragt, ob die Tochter des Kriminalkommissars bald eine Entziehungskur macht. Oder ob Erlendur endlich eine neue Frau findet.

Rúntur – die Passeggiata des Nordens
    »Komm wir machen Rúntur«, sagt meine Kollegin Hulda (ausgesprochen: »Hülda«) vom Morgunblaðið am nächsten Tag nach der Arbeit zu mir, als wir gemeinsam das Redaktionsgebäude verlassen. Und da erst begreife ich, dass Rúntur, das Rundendrehen mit dem Auto über die Haupteinkaufsstraße, nicht nur eine Sache der Jugendlichen am Wochenende ist. Nein, Rúntur machen alle. Deshalb ist auf der Laugavegur auch immer Verkehr, obwohl es keinen zwingenden Grund gibt, diese Straße zu benutzen. Rúntur ist für den Isländer das, was die abendliche Passeggiata für den Italiener ist. Eine Art Ritual, durch das man die Verbindung aufnimmt zur Außenwelt, der soziale Kitt, bei dem man erfährt, was bei den anderen und in der Stadt los ist.
    »Guck mal«, sagt Hulda, »siehst du den älteren Herren dort?« Ein Mann mit Hut überquert vor uns die Straße. »Das war der Kapitän des wichtigsten Schiffes bei den Kabeljaukriegen«, erzählt sie. Denn Island hatte tatsächlich mal eigene Kriege, drei an der Zahl, und wie der Name schon verrät, ging es um den Fisch, eine der Haupteinnahmequellen des Landes – und da hört bekanntlich
der Spaß auf. Zugleich sind die isländischen Kriege eine geradezu märchenhaft-hübsche Geschichte, denn sie handeln vom Kampf Davids gegen Goliath und verliefen vollkommen unblutig.
    Alles begann 1952, als die gerade erst unabhängig gewordenen Isländer das Hoheitsgebiet ihrer Fischereigründe eigenmächtig von drei auf vier Seemeilen ausweiteten. Die wichtigste Rohstoffquelle des Landes hatte durch starke Überfischung heftig gelitten. Die Isländer wollten ihre Fanggründe vor fremden Trawlern schützen und waren froh, dass ein altes Abkommen, das die Dänen 1901 mit den Briten geschlossen hatten, endlich ausgelaufen war. Darin hatten die Dänen den Briten zugesichert, das die Fischereizone vor Islands Küsten 50 Jahre nicht mehr als drei Meilen betragen sollte.
    Während die anderen Länder die neue Grenze akzeptierten, war Großbritannien empört und boykottierte fortan den Kauf von isländischem Fisch, in der Hoffnung, die kleine Nation damit wirtschaftlich ins Mark zu treffen. Doch die Rechnung ging nicht auf, denn Island hatte Glück und die Sowjetunion sprang als Großkunde ein. Allerdings war das Glück nicht von Dauer. Bald darauf gingen die Kabeljaubestände im Meer erneut dramatisch zurück. Und so dehnte Island sein Hoheitsgebiet 1958 ein weiteres Mal aus, dieses Mal von vier auf zwölf Meilen.
    Während alle anderen Länder dies abermals akzeptierten, wollte Großbritannien sich das jedoch nicht bieten lassen und so schickten die Briten Kriegsschiffe der Royal Navy gen Norden. Die britischen Fischer fischten weiterhin innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone, wurden jetzt aber von der britischen Marine beschützt. Die Szenen, die sich von nun an in den Gewässern um Island herum abspielten, bekamen bald den Namen Kabeljaukrieg. Und der ging so weit, dass ein Schiff der britischen Royal
Navy die Mannschaft eines isländischen Küstenwachschiffes für kurze Zeit gefangen nahm, um wiederum die Verhaftung britischer Fischer zu verhindern. Zweieinhalb Jahre dauerte der Konflikt an, bis die Briten einer Übergangsregulierung zustimmten. Ruhe kehrte ein auf der schon von
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