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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt
Autoren: Deborah Harkness
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Charles, dass wir einen weiteren Magen zu füllen haben. Diana fühlt sich in letzter Zeit nicht recht wohl und muss auf Anraten ihres Arztes viel frisches Fleisch und frischen Fisch essen. Jemand wird auf den Markt gehen müssen, Pierre.«
    Pierre blinzelte. »Sehr wohl, Milord .« Er sprach das englische »Mylord« mit französischem I aus.
    »Außerdem wird sie etwas anzuziehen brauchen«, bemerkte Françoise und schätzte gleichzeitig meine Maße ab. Auf Matthews Nicken hin verschwand sie, dicht gefolgt von Pierre.
    »Was ist mit deinem Haar passiert?« Matthew hielt eine rötliche Haarsträhne zwischen den Fingern.
    »O nein«, murmelte ich und fasste mir an den Kopf. Statt in mein gewohntes schulterlanges, strohblondes Haar griff ich in rotgoldene Locken, die mir bis zur Taille reichten. Das letzte Mal hatten meine Haare ein solches Eigenleben entwickelt, als ich am College in einer Hamlet -Aufführung die Ophelia spielen sollte. Damals wie jetzt waren das plötzliche Wachstum und die Farbveränderung kein gutes Zeichen. Offenbar war auf unserer Reise in die Vergangenheit die Hexe in mir erwacht. Und niemand konnte wissen, welche Magie dabei entfesselt worden war.
    Vampire hätten vielleicht das einschießende Adrenalin und meine plötzliche Angst gerochen, oder sie hätten gehört, wie mein Blut zu singen begann. Kit als Dämon hingegen spürte, wie meine Hexenenergie anstieg.
    »Beim Grab unseres Erlösers.« Marlowe lächelte schadenfroh. »Ihr habt eine Hexe mitgebracht. Was hat sie denn angestellt?«
    »Lasst es gut sein, Kit. Das soll nicht Eure Sorge sein.« Matthews Stimme klang sofort energisch, aber seine Finger strichen weiter liebevoll durch mein Haar. »Mach dir keine Sorgen, mon cœur. Das ist bestimmt nur die Erschöpfung.«
    Mein sechster Sinn widersprach ihm heftig. Diese Veränderung ließ sich nicht mit schlichter Müdigkeit erklären. Ich war zwar von der Abstammung her eine Hexe, aber ich hatte nie Gelegenheit gehabt herauszufinden, welche Kräfte ich eigentlich von meinen Eltern geerbt hatte. Nicht einmal meine Tante Sarah und ihre Lebensgefährtin Emily Mather – beides Hexen – hatten mit Sicherheit sagen können, welche magischen Fähigkeiten ich besaß und wie ich sie beherrschen konnte. Matthew hatte zwar mein Blut analysiert und dabei die verschiedenen genetischen Marker für mein magisches Potential herausgefiltert, aber niemand konnte sagen, ob oder wann diese Erbanlagen aktiv würden.
    Bevor ich mir noch mehr Sorgen machen konnte, kehrte Françoise mit etwas zurück, das wie eine lange Stopfnadel aussah. Zwischen ihren Lippen klemmten zahllose Stecknadeln. Begleitet wurde sie von einem wandelnden Berg an Samt, Wolle und Leinen, unter dem Pierres schlanke braune Beine hervorschauten.
    »Wofür sind die?«, fragte ich misstrauisch und deutete auf die Nadeln.
    »Dafür, dass wir Madame hier hineinbekommen natürlich.« Françoise zog eine Art braunen Mehlsack von dem Kleiderstapel. Das Gewand sah nicht gerade besonders vornehm oder elegant aus, aber da ich in Sachen elisabethanischer Mode nicht auf dem Laufenden war, verkniff ich mir jeglichen Kommentar.
    »Geht nach unten, wo Ihr hingehört, Kit«, befahl Matthew seinem Freund. »Wir kommen in Kürze nach. Und hütet Eure Zunge. Es ist nicht an Euch, diese Geschichte zu erzählen.«
    »Wie Ihr wünscht.« Marlowe zupfte am Saum seines rotbraunen Wamses, eine scheinbar lässige Geste, bei der ihn nur das Zittern seiner Hände verriet, und verbeugte sich knapp und ironisch.
    Als der Dämon gegangen war, legte Françoise den Mehlsack über eine Bank, begann mich zu umkreisen und inspizierte mich, um festzustellen, wo sie ihren Angriff am besten starten sollte. Mit einem verärgerten Seufzen begann sie mich anzukleiden. Matthew trat an den Tisch und beugte sich über die Papiere, die darauf verstreut lagen. Er öffnete ein korrekt gefaltetes rechteckiges Päckchen, das mit einem rosa Wachsklecks versiegelt war, und überflog dann die eng beschriebenen Zeilen.
    » Dieu. Das hatte ich ganz vergessen. Pierre!«
    »Milord ?« , drang eine gedämpfte Stimme aus dem Stoffberg.
    »Leg das ab, und erzähl mir, worüber Lady Cromwell sich diesmal beschwert.« Matthew behandelte Pierre und Françoise mit einer perfekten Mischung aus Vertraulichkeit und Autorität. Wenn man im sechzehnten Jahrhundert so mit seinen Bediensteten umging, würde ich noch einige Zeit brauchen, bevor ich diese Kunst beherrschte.
    Die beiden Männer unterhielten sich
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