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Wo bist du

Wo bist du

Titel: Wo bist du
Autoren: Unbekannter Autor
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mir, was du getan hast, und wir setzen uns an denselben Tisch, weil er uns gehört; und wenn ich eine moderne Florence Nightingale geworden bin und du ein großer Maler, bringt man sicher eines Tages eine kleine Kupferplakette mit unseren Namen darauf an.«
    An der Sperre erklärt sie ihm, dass sie sich nicht umdrehen werde; sie wolle sein trauriges Gesicht nicht sehen, sondern lieber sein Lächeln in Erinnerung behalten. Sie will auch nicht an den Verlust ihrer Eltern denken, was wiederum seine Eltern bewogen hat, nicht zum Flughafen zu kommen. Er nimmt sie in die Arme und flüstert: »Pass auf dich auf.«
    Sie drückt den Kopf an seine Brust, um etwas von seinem Geruch mitzunehmen und ihm ein wenig von ihrem dazulassen. Sie reicht der Hostess ihr Ticket, küsst Philip ein letztes Mal, holt tief Luft und bläst die Backen auf wie ein Clown. Dann steigt sie die Stufen zur Rollbahn hinunter, läuft am Bodenpersonal vorbei zum Flugzeug und die Gangway hinauf und verschwindet in der Maschine, ohne einen letzten Blick zurückzuwerfen.
    Philip kehrt in die Bar zurück und setzt sich wieder an ihren Tisch. Stotternd springen die Motoren der Douglas an und stoßen mehrere graue Rauchwolken aus. Die Propeller machen eine Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn, dann zwei langsame in die andere Richtung, bevor sie nicht mehr zu erkennen sind. Die Maschine schwenkt herum, rollt langsam auf die Startbahn zu. Am Ende bleibt sie einige Minuten in der Startposition stehen. Die Räder auf der weißen Bodenmarkierung setzen sich erneut in Bewegung und lassen das Fahrgestell erzittern. Die Gräser an den Seitenstreifen scheinen sich vor dem Flugzeug zu verneigen. Die Fensterfront der Bar vibriert, als die Motoren hochgefahren werden, die Tragflächen entsenden einen letzten Gruß, und die Maschine beginnt schneller zu rollen. Sie gewinnt an Tempo, ist bald auf Philips Höhe. Er sieht das Heck vorbeigleiten, die Räder sich vom Boden lösen. Die DC3 steigt steil nach oben, schwenkt in eine Rechtskurve und verschwindet in einer dünnen Wolkenschicht.
    Er starrt noch eine Weile in den Himmel, wendet schließlich den Blick ab, starrt auf den Stuhl, auf dem Susan eben noch gesessen hat. Ein unerträgliches Gefühl von Verlassenheit überkommt ihn. Er steht auf und geht, die Hände in den Taschen vergraben.
    Kapitel 2
    25. September 1974, an Bord der DC3.. .
    Mein Philip,
    ich glaube, es ist mir nicht gelungen, diese Angst, die mir den Magen zuschnürte, vor dir zu verbergen. Ich habe gerade das Flughafengelände in der Ferne verschwinden sehen. Mir war richtig schwindelig, solange wir unter den Wolken waren, jetzt geht es mir sehr viel besser. Ich bin enttäuscht, wir haben nichts von Manhattan gesehen, aber jetzt reißt die Wolkendecke auf und ich kann fast die Wellen zählen. Sie sind winzig und erinnern mit ihren Schaumkronen an Schäfchen. Ich habe sogar einem großen Schiff nachgeschaut, das Kurs auf dich hält. Du hast bestimmt bald schönes Wetter.
    Ich weiß nicht, ob du meine Schrift entziffern kannst, wir werden gerade ganz schön durchgeschüttelt. Vor mir liegt eine lange Reise; in sechs Stunden, nach einem Zwischenstopp in Washington, bin ich in Miami, dann steigen wir um und fliegen nach Tegucigalpa. Allein schon der Name hat etwas Magisches. Ich denke an dich, du musst unterwegs nach Hause sein; grüße und umarme deine Eltern von mir. Ich schreibe dir, wie die Reise weitergeht. Pass du auch auf dich auf mein Philip ...
    Susan,
    ich komme eben nach Hause. Dad und Mum haben mir keine Fragen gestellt: Mein Gesicht wird ihnen verraten haben, wie es um mich bestellt ist. Tut mir Leid wegen vorhin, ich hätte deine Freude akzeptieren müssen, deine Lust, von hier fortzukommen. Du hast Recht, ich weiß nicht, ob ich den Mut gehabt hätte, dich zu begleiten, wenn du es vorgeschlagen hättest. Aber du hast es nicht getan, und ich denke, es ist besser so. Ich weiß selbst nicht genau, was dieser letzte
    Satz bedeuten soll. Die Abende ohne dich werden lang sein. Ich schicke diesen ersten Brief ans Büro des Peace Corps in Washington, die werden ihn weiterleiten.
    Du fehlst mir schon jetzt allzu sehr,
    Philip
    ... ich greife erneut zu Stift und Papier. Im Moment haben wir ein unglaubliches Licht, so was hast du noch nie gesehen, ich übrigens auch nicht. Hier, über den Wolken, beobachte ich einen richtigen Sonnenuntergang; von oben betrachtet, ist das total verrückt. Wie schade, dass du nicht hier bist, um zu sehen, was ich sehe. Ich
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