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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition)
Autoren: John Irving
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mit einem großen, leuchtendblauen Saphir, der zu ihren Augen paßte.
    Erst hatte sie ihr Haar aufgesteckt; nun hing es auf die Schultern herab und wurde von einem Schildpattreifen aus dem Gesicht gehalten. (Es war ein windiger Tag, kalt, aber wunderschön.) Als sie endlich fertig war, weigerte sie sich, einen Mantel anzuziehen. »Ich bin sicher, daß wir nicht lange draußen stehenbleiben werden«, meinte sie.
    Eddie versuchte, sie von der bedeutsamen Begegnung abzulenken, indem er die Sprache auf die möglichen Umbauten in Ruths Haus brachte.
    »Da du nicht gern Treppen steigst, könnten wir Teds ehemalige Werkstatt in ein Schlafzimmer zu ebener Erde umwandeln«, begann Eddie. »Die Toilette im Erdgeschoß könnte zu einem Bad erweitert werden, und wenn wir den Kücheneingang zum Haupteingang machen, wäre das Schlafzimmer unten ziemlich abgeschottet.« Er wollte weiterreden, egal worüber, um sie davon abzuhalten, über Grahams Ähnlichkeit mit Timothy nachzudenken.
    »Wenn ich die Wahl habe, ob ich Treppen steigen oder in Teds sogenannter Werkstatt schlafen will … also, das muß ich mir noch überlegen«, meinte Marion. »Vielleicht empfinde ich es sogar als persönlichen Triumph, in dem Raum zu schlafen, in dem mein früherer Mann so viele unglückliche Frauen erst gezeichnet und fotografiert und dann verführt hat. Vielleicht ist es sogar ausgesprochen vergnüglich, wenn ich es mir recht überlege.« Plötzlich erwärmte sich Marion für diese Idee. »In diesem Raum geliebt zu werden – und später auch noch in diesem Raum gepflegt zu werden … ja, wieso eigentlich nicht? Ich hätte nicht mal was dagegen, in diesem Raum zu sterben. Aber was machen wir mit dem verdammten Squashcourt?« fragte sie dann.
    Natürlich wußte Marion nicht, daß Ruth den oberen Teil der Scheune längst umgebaut hatte, und sie wußte auch nicht, daß Ted dort gestorben war. Sie wußte nur, daß er sich in der Scheune mit Kohlenmonoxyd vergiftet hatte; aber sie war immer davon ausgegangen, daß er es in seinem Wagen getan hatte, nicht in dem verdammten Squashcourt.
    Diese und andere banale Kleinigkeiten beschäftigten Eddie und Marion, als sie in Bridgehampton von der Ocean Road abbogen und der Sagaponack Road zur Sagg Main Street folgten. Es war kurz vor Mittag, und die Sonne fiel auf Marions helle Haut, die noch immer erstaunlich glatt war. Um nicht geblendet zu werden, schirmte sie ihre Augen mit der Hand ab, bevor Eddie hinüberlangte und die Sonnenblende auf ihrer Seite herunterklappte. Das hellgelbe, unberechenbare Sechseck in ihrem rechten Auge blitzte auf wie ein Leuchtfeuer; der goldene Fleck bewirkte, daß die Farbe ihres rechten Auges von Blau zu Grün wechselte, und da wußte Eddie, daß sie sich nie mehr trennen würden.
    »Bis daß der Tod uns scheidet, Marion«, sagte er.
    »Genau das habe ich auch gerade gedacht«, sagte Marion. Sie legte ihre schmale linke Hand auf seinen rechten Oberschenkel und ließ sie dort liegen, während Eddie von der Sagg Main in die Parsonage Lane einbog.
    »Lieber Himmel!« sagte Marion. »Sieh dir bloß die vielen neuen Häuser an!«
    Viele dieser Häuser waren keineswegs so »neu«, aber wie viele Häuser seit 1958 in der Parsonage Lane gebaut worden waren, wußte Eddie auch nicht. Als sie sich der Einfahrt zu Ruths Haus näherten, war Marion entsetzt über die hohe Ligusterhecke, die hinter dem Haus aufragte und den Swimmingpool umgab, den Marion von der Einfahrt aus zwar nicht sehen konnte, aber dort vermutete.
    »Dieser Mistkerl hat also doch einen Pool reingebaut, nicht wahr?« fragte sie Eddie.
    »Ehrlich gesagt, ist es ein recht hübscher Pool, ohne Sprungbrett.«
    »Und natürlich gibt es auch eine Außendusche«, mutmaßte Marion. Ihre Hand auf Eddies Schenkel zitterte.
    »Es wird alles gut«, versicherte er ihr. »Ich liebe dich, Marion.«
    Marion blieb sitzen und wartete, bis Eddie ihr die Autotür aufmachte; da sie alle seine Bücher gelesen hatte, wußte sie, daß Eddie für solche Gesten viel übrig hatte.
    Ein gut-, aber etwas herb aussehender Mann hackte vor der Küchentür Holz. »Meine Güte, der sieht aber stark aus!« sagte Marion, als sie ausstieg und Eddies Arm nahm. »Ist das Ruths Polizist? Wie heißt er denn?«
    »Harry«, rief Eddie ihr ins Gedächtnis.
    »Ach ja, Harry. Hört sich nicht sehr holländisch an, aber ich werde versuchen, es mir zu merken. Und wie heißt der kleine Junge? Mein eigener Enkel, und ich kann mir nicht mal seinen Namen merken!« rief
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