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Wirrnis des Herzens

Titel: Wirrnis des Herzens
Autoren: Catherine Coulter
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realistisch. In Wahrheit sorgen Sie sich doch gar nicht um das traurige Los Ihrer glücklosen Geschlechtsgenossinnen. In Ihrer Position wäre das die reinste Heuchelei. Ihr Vater ist Baron. Sie führen mit Sicherheit einen ganzen Stab von Männern an der Nase herum. Sie sind jung, unabhängig und obendrein noch schöner, als Sie es wahrscheinlich verdient hätten. Also sprechen Sie nicht über Ungerechtigkeit.«
    »Vielleicht haben Sie Recht, Lord Beecham.«
    »Da bin ich mir sicher.«
    »Was aber ist mit dieser armen Frau, die Sie mit neunundvierzig heiraten wollen? Sie wird nichts zu sagen haben. Sie brauchen sie nur zum Kinderkriegen, wie eine Zuchtstute. Was ist mit den Wünschen, den Hoffnungen und den Ängsten dieser Frau?«
    Ihre Worte belustigten ihn. »Wie blumig Sie daherreden, Miss Mayberry. Aber bleiben wir bei den Tatsachen. Diese Dame wird mich freiwillig heiraten. Sie wird - zumindest sobald sie Witwe ist - meinen Titel bekommen, mein Geld und alles, was sie wünscht, abgesehen vielleicht von einem liebenden Gatten. Sie wird die Herrin von Paledowns sein und noch von drei weiteren Anwesen. Sobald ich unter der Erde liege, wird sie reich sein, ihr Sohn wird der junge Lord Beecham sein, und sie wird sich unbehelligt vergnügen können, wo und mit wem auch immer sie wünscht.
    Um die zukünftige Gräfin Beecham müssen Sie sich also wirklich keine Sorgen machen. Ich stimme Ihnen jedoch zu, wenn Sie sagen, dass die meisten Frauen nicht reich sind und auch nicht sonderlich gut aussehen. Oft sind sie nicht einmal besonders intelligent. Diese Frauen, da haben Sie Recht, müssen wirklich noch mehr ertragen als Männer in der gleichen Situation.
    Da ich aber nun einmal wenig tun kann, um diesen Missstand zu beseitigen, kümmere ich mich um meine eigenen Leute. Ich bin für ihr Wohlergehen verantwortlich, und ich nehme das sehr ernst. Prinzipiell bin ich immer bereit, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um meinen Mitmenschen, ob nun männlich oder weiblich, zu helfen.«
    »Oh, ich brenne darauf, eine Kostprobe Ihrer unzähligen Heldentaten zu hören.«
    »Das Eis scheint Sie eher sarkastisch als entspannt zu machen. Nun gut, vor ein paar Wochen wurde eine meiner Mägde von einem Lakai des Nachbargutes vergewaltigt. Die Herrin des Hauses, die ich sogleich aufgesucht hatte, behauptete, ohne mit der Wimper zu zucken, dass es meine Magd gewesen wäre, die ihren armen Lakai verführt habe. Sie wäre eine Hure und habe keinen Funken Moral im Körper.
    Ich nahm mir also den Lakai, einen grobschlächtigen irischen Trottel, vor und schlug ihn gründlich zusammen. Ich ließ sogar die Magd zuschlagen. Sie hat ihn angespuckt. Gott sei Dank, dass er sie nicht geschwängert hat.«
    Sie starrte ihn an und strich nachdenklich über einen der silbernen Löffel.
    Lord Beecham verzog den Mund und sah auf ihre langen Finger. »Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das erzählt habe. Vergessen Sie es. Es geht niemanden etwas an. Sind Sie fertig? Ihr Eis sieht Mitleid erregend aus.«
    Helen beobachtete, wie er die Rechnung bezahlte. Als sie zur Kutsche hinübergingen fragte sie: »Könnten wir zum Park fahren, Lord Beecham?«
    »Warum? Sind Sie sich immer noch nicht sicher, ob ich Ihren Anforderungen entspreche?«
    »Das haben Sie gut erkannt.«

4
    »Zum Park, Babcock«, rief Lord Beecham. »Und fahren Sie langsam.«
    »Wie Sie wünschen, Lord Beecham.«
    Es war noch früh am Nachmittag. Die meisten Herrschaften des Viertels hatten ihren obligatorischen Spaziergang durch den Park noch gar nicht begonnen. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel, aber Helen spürte noch ein wenig die feuchtkalte Luft der vergangenen Tage.
    »War das ein Zittern? Ist Ihnen zu kalt?«
    »Nein, ich habe nur an etwas gedacht. Wissen Sie, dass ich Sie schon die ganze letzte Woche treffen wollte, Lord Beecham?«
    »Aber Sie wollen mir immer noch nicht verraten, warum?«
    »Vielleicht unterhalten wir uns zunächst noch ein wenig. Wir sprachen von unserem Selbstverständnis als Mann und als Frau.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Die Wahrheit ist doch, Miss Mayberry, dass Gott uns auf diese Bühne gesetzt hat, damit wir unsere Rolle spielen - und wir spielen sie oft allzu erbärmlich, aber immerhin versuchen wir es. Welche Rolle spielen Sie gerade, Miss Mayberry?«
    »Ich bin Diana, die Göttin der Jagd.«
    »Und ich bin Ihre Beute? Ich weiß nicht, ob ich wirklich gefangen werden möchte. Ich bevorzuge verheiratete
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