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Wir Wunderkinder

Titel: Wir Wunderkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartung Hugo
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Bekenntnissen.
    »Sie haben in Bayern sogar schon andere Briefmarken. Und man versteht die Bayern auch nicht, weil sie viele fremde Wörter benutzen. Zu Blumenkohl sagen sie zum Beispiel ›Karfiol‹!«
    »Wie?« fragte Bruno Tiches, und seine Züge umdüsterten sich.
    »Karfiol! Komisch, nicht?«
    »Nee, das find' ich gar nicht komisch!«
    Jetzt brach es aus Bruno los:
    »Wenn alle deutsch sprächen, brauchten wir den ganzen Quatsch nicht – mit dem Latein bei Gorgo, und das Französisch, wo sie alles falsch aussprechen. Wenn ich mal was zu sagen habe, befehle ich, daß alle deutsch sprechen müssen …«
    »Auch die Neger?« fragte ich.
    »Die auch! Bei Karl May reden ja auch die Indianer deutsch, und das geht prima.«
    »Man müßte es vielleicht dem Kaiser sagen!« meinte Andreas.
    »Der könnte es«, gab Bruno gönnerhaft zu. »Die andern haben ja keinen Kaiser. Die sind überhaupt alle schlapp. So wie du beim Turnen.«
    Der schaufelnde Andreas sah schuldbewußt unter sich. Beim Turnen war er wirklich kein Held. Am Reck hing er immer wie ein feuchter Lappen.
    Inzwischen füllten sich unsere Säckchen, und, nebeneinander gestellt, sahen sie aus wie der Goldschatz des Ali Baba.
    »Brav, Jungens«, sagte der Herr Inspektor, der unterdessen nach seinem Gas gesehen hatte. »Nun könnt ihr das Zeug gleich rüberschaffen zum Ballon.«
    Das war ein Auftrag! Beladen mit unsern Säckchen durften wir, an allen Klassenkameraden und an den Mädels vom Töchterstift vorbei, die Absperrung um die ›Altenburg‹ passieren und bis dicht an den Ballonkorb herangehen. Der Feuerwehrmann, der hier Wache hielt, war der Seifensiedermeister Zippel, ein weitläufiger Onkel von Bruno Tiches. Der ließ es sogar zu, daß Bruno an dem etwas verwitterten, graubraunen Korb hochkletterte und von oben hineinguckte.
    »Mensch!« rief er staunend aus.
    »Was ist denn drin?« fragte ich.
    »Instrumente – so Uhrenkram! – und Decken«, fügte er nach einer Atempause hinzu. »Ein ganzer Stapel Decken!«
    In diesem Augenblick mußte Bruno schleunigst wieder herunterklettern, denn ich sah Herrn Rockezoll über die Wiese kommen und warnte den Klassenkameraden.
    »Heil!« sagte Herr Rockezoll, als er zu uns trat.
    Er hatte eine komisch hohe Stimme, ähnlich wie Tante Remmy, und der Feuerwehrmann Zippel nahm Haltung an.
    »Na, Jungens!« – beim ›s‹ lispelte Ballonführer Rockezoll – »da möchtet ihr wohl mitfliegen?«
    Andreas sah wieder einmal unter sich. Klar, der war ja feige! Aber Bruno schmetterte in unser aller Namen:
    »Jawohl, Herr Kapitän. Vielleicht könnten wir morgen den Kaiser von oben sehen …«
    Der Mann mit dem Prinz-Heinrichs-Bart schüttelte betrübt den Kopf:
    »Das Glück werden wir leider nicht haben.«
    Er hob wieder den angefeuchteten Finger: »Südsüdost! Die Aeronautik ist eben von den thermischen Verhältnissen abhängig.«
    Andreas sah aus, als ob er vor Ergriffenheit weinen wollte. Aber der vorlaute Tiches sagte:
    »Da müssen Sie sich eben einen Motor reinbauen!«
    Das hätte er nicht sagen sollen. Herrn Rockezolls Züge umzogen sich schmerzlich:
    »Jungens!« rief er bekümmert. »Ihr seid unsere deutsche Zukunft. Redet nicht dieses amerikanische Geschwätz vom Motorenzeitalter nach. Das fällt ja doch alles runter.«
    Wir nickten beflissen, um den tapferen Ballonführer wieder zu trösten, und ich erzählte ihm auch gleich, daß voriges Jahr ein Aeroplan über unsere Stadt gekommen wäre, der schon immer so komisch gewackelt hätte, bis er auf einem Kartoffelacker bei Dornhofen hätte notlanden müssen. Dabei wären ihm die Räder zerbrochen und die Tragfläche abgeknickt, und wir Jungens hätten uns heimlich Leinwandfetzen als Andenken herausgerissen.
    »Na, seht ihr«, triumphierte Herr Rockezoll. »Das Zeug taugt eben nichts. Und unsere deutschen Kartoffeln sollten uns für solche fremdländischen Experimente zu schade sein!«
    Nach diesen Worten kletterte er, von uns allen sehr bewundert, in die Gondel, und Feuerwehrmann Zippel jagte uns fort, als ob wir Spione seien, die landesverräterisch auskundschaften wollten, was der lispelnde Herr mit seinen Decken und Instrumenten triebe.
    Andreas ging in seine Gasanstalt zurück, und wir beiden andern streunten noch den ganzen Nachmittag durch die Stadt, die sich schon festlich zu verwandeln begann. Überall wurden Fahnen in allen möglichen Farben herausgesteckt: die schwarz-weiß-roten des Reiches, die schwarz-gelb-grünen des Landes und die

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