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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde
Autoren: Stefan Casta
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sundaymorning), es auf zweitausendfünfhundert Mal bringt. Ist das viel oder wenig?
    Ach, Tove, was ist Liebe eigentlich?
    An diesem selbstleuchtenden Sonntag, als meine Hände deine schneeweißen Berge bestiegen und ein Finger in deinem feuchten Vogelnest versank, da hatte ich das Gefühl, als würde etwas in mir anfangen zu leben. Ich kann mich an jedes Detail erinnern, an jeden Duft, jedes Geräusch. Auch an die Geräusche, die ich nicht bewusst gehört habe. Und ich weiß, dass ich mich für den Rest meines Lebens daran erinnern werde, all die zweitausendfünfhundert Male werde ich immer an den Sonntag erinnert werden, an dem ein kleiner grauer Vogel starb und Elisabet plötzlich hereingestürmt kam und uns unterbrach, gerade als etwas geschehen sollte.
    Ist es das, was wir als unsere Hoffnung bezeichnen, Tove? Dass die Liebe am Ende doch siegen wird? Und: Ist es das, was man als Liebe bezeichnet?
    Ich weiß es nicht.
    Ich weiß, dass du es bereust. Ich weiß, dass du ganz weggetreten warst, als es passiert ist. Dass du vor dem Windschutz gelegen hast und halb bewusstlos warst. Du hattest zu viel getrunken. Du warst erschöpft von diesem Tag, den wir im Wald herumgeirrt sind. Ich glaube, es lag auch an den Tabletten, an all den Kopfschmerztabletten, die du in dich geschüttet hast.
    Ich weiß, dass du die Polizei angerufen hast. Danke, Tove. Ich wünschte nur, es hätte sich dadurch etwas geändert. Es hätte dazu geführt, dass es sich jetzt anders anfühlt.
    Du und ich, wir werden nie etwas Besonderes werden. Niemand wird je von uns hören. Wir sind zu schüchtern, Tove! Es ist merkwürdig, ich weiß nicht, ob dir das auch schon einmal aufgefallen ist, aber es sind die wirklich einspurigen Menschen, solche wie Manny, die sich ihrer Sache immer so verdammt sicher sind. Die Klugen, die zweifeln stets.
    Vielleicht kommt noch der Tag, an dem wir eine neue politische Partei gründen, Tove. Die Partei der Schüchternen. Dann werden wir die Welt verändern. Du umarmst Criz so heftig, dass deine Brille verrutscht. Später kann ich sehen, wie du zu meinem Haus hinschielst, wie deine Augen alle gleichförmigen Fenster durchgehen, bis sie meins gefunden haben. Siehst du mich, Tove? Erkennst du mich wieder? Wir haben uns ja gestern getroffen, wenn auch nur in aller Hast.
    Ja, Kim. Ich sehe dich und ich denke gleichzeitig daran, wie wir uns bei H&M getroffen haben. Schon ein merkwürdiger Ort sich zu treffen!
    Ich habe dich gleich gesehen, als du reingekommen bist. Irgendwie fällst du auf, mit deiner schwarzen Basken- mütze und deinem langen schwarzen Schal. Du siehst so anders aus, Kim. Ich weiß, dass du das auch bist, du bist ein ganz besonderer Junge. Ja, ich mag dich. Mehr als zuvor. Anfangs war das nicht so, jedenfalls nicht von meiner Seite. Du hast mich mit deiner Kleidung erschreckt, Kim. Ich dachte, du wolltest dich damit nur wichtig tun, zeigen, dass du was Besseres bist als wir anderen. Doch, das haben wir alle geglaubt. Wir haben geglaubt, dass du so einer bist, der immer alles besser weiß. Das war, bevor ich begriffen habe, dass du wirklich anders bist. Dass du auf eine irgendwie andere Art denkst. Du denkst so viel, Kim!
    Vielleicht hast du mir auch ein bisschen leid getan. Du warst oft so allein. Und deshalb habe ich auch Philip gesagt, er sollte dich mal fragen, ob du nicht Lust hättest, mit uns zu kommen. Zuerst wollte er nicht. Ich glaube, er fand, du wärst zu ... ja, einfach zu anders. Ich glaube, er hatte dich bis dahin noch gar nicht wirklich wahrgenommen.
    Aber jetzt, wo ja alles zu spät ist, jetzt ist mir klar, dass ich dich gern habe. Dass dem schon lange so ist. Und das kommt, weil wir an diesem schrecklichen, verschneiten Sonntag zusammen waren. Ich hatte so eine schlimme Migräne, dass ich dachte, mein Kopf würde zerplatzen. Aber sie ging vorbei, Kim. Du hast mich geheilt. Das habe ich noch nie vorher erlebt!
    Als ich dich bei H&M hereingehen sah, da kamen die Gefühle zurück. Ich folgte dir mit meinem Blick und sah, wie du zwischen den Pullovern herumwühltest. Der Blaue mit dem weißen Bündchen, den du anprobiert hast, der war wirklich süß. Er stand dir ganz toll.
    Dann hast du mich plötzlich entdeckt. Unsere Blicke begegneten sich in einem Spiegel. Ich sah, wie du zusammenzucktest, wie du gezögert hast, bevor du den Pullover zusammenknülltest und auf mich zugegangen bist. Fast hättest du einen Ständer mit Tangas dabei umgeworfen. Und als ich dich kommen sah, als dein Bild die
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