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Wir vom Brunnenplatz

Wir vom Brunnenplatz

Titel: Wir vom Brunnenplatz
Autoren: Christine Fehér
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zu versorgen. Aber den Kleinen hier ein paar Tage lang gesund pflegen, bis er von alleine wieder in die Freiheit will, das werde ich jawohl noch schaffen.«
    Emma schluckte. »Eigentlich wollten wir...«
    Ich stieß ihr meinen Ellbogen in die Rippen.
    »Ist doch gut!«, zischte ich, denn ich ahnte, dass meine Mutter nicht begeistert sein würde, wenn wir mit einem Vogel von der Straße nach Hause kämen. Benni, der den Spatz ja gefunden hatte, war noch zu klein, um ihn alleine zu versorgen. Einen Vogelbauer hatte keiner von uns allen. Und die alte Frau kannte sich bestimmt richtig gut mit Vögeln aus, wenn sie vor Kurzem selber noch einen gehabt hatte.
    »Na dann kommt mal am besten mit zu mir nach
    Hause«, schlug sie vor. »Dann könnt ihr mir im Keller beim Suchen helfen.«
    Benni klammerte sich ein wenig ängstlich an Violettas Arm, und ich musste auch daran denken, dass unsere Eltern Emma und mir gleich am ersten Tag in der Brun-nenplatzsiedlung eingeschärft hatten, dass wir auf keinen Fall mit Fremden mitgehen sollen. Und die alte Frau war ja fremd. Allerdings sah sie nicht gerade wie eine Verbrecherin oder Kindesentführerin aus und wir waren ja zu siebt. Wenn sie uns wirklich kidnappen wollte, könnten ein paar von uns trotzdem schnell Hilfe holen. So viele Arme hatte sie ja gar nicht, dass sie uns alle gleichzeitig schnappen könnte. Da müsste sie richtig viele Komplizen haben, die irgendwo lauern.
    Trotzdem hämmerte mein Herz ganz wild gegen die Brust, als Emma den Vogel wieder aufgehoben hatte, die Frau nach ihren Taschen griff und wir uns alle in Bewegung setzten.
    »Die Taschen tragen wir«, sagte ich und wollte ihr eine abnehmen, aber die war auch für mich zu schwer. Als ich hineinsah, wusste ich, warum. Sie hatte zwei Packungen Milch eingekauft, einen kleinen Sack Kartoffeln und ein Glas Marmelade. Zum Glück sprang Violetta mir bei und nahm einen der beiden Griffe. Die andere Tasche trugen Kerim und Hung.
    Und dann merkte ich plötzlich etwas, das mich beinahe schweben ließ, so erleichtert war ich. Die alte Frau steuerte genau das Haus an, in dem wir alle wohnen! Da war sie ja gar nicht fremd, sondern unsere Nachbarin, wir hatten es bloß noch nicht gewusst, weil in unserem Haus ja so viele Menschen wohnen. Die hatten wir noch gar nicht alle gesehen. In unserem Haus hatte ich überhaupt keine Angst mehr. Hier kennen wir uns ja alle aus, und wenn sie wirklich eine Entführerin mit massenhaft Komplizen gewesen wäre, hätten wir nur alle zusammen ganz laut um Hilfe rufen müssen. In unserem Treppenhaus hallt es so, dass wir wahrscheinlich geklungen hätten wie doppelt so viele Kinder, und der Hausmeister hätte auch gleich seine Tür aufgemacht und alles gesehen.
    Als wir angekommen waren, drückte die alte Frau den Fahrstuhlknopf.
    »Sagt lieber euren Eltern Bescheid, dass ihr bei der alten Frau Nitschmann seid«, bat sie uns. »Nicht, dass die sich noch Sorgen machen, wenn sie von oben aus dem Fenster schauen und ihr seid wie vom Erdboden verschluckt.«
    Hung holte sein Handy aus der Hosentasche und tippte eine SMS an seine Mutter.
    »Die regelt das jetzt«, verkündete er. »In zwei Minuten wissen alle Bescheid.«
    Violetta, Benni und ich fuhren mit Frau Nitschmann im Fahrstuhl in den Keller. Emma hatte sich auf die Treppenstufen gesetzt und passte auf den Spatz und Frau Nitschmanns Einkäufe auf. Celina ging mit Hammer vor dem Haus auf und ab, wir mussten ihr aber versprechen, sie zu rufen, sobald der Vogel im Käfigsaß. Kerim und Hung liefen zu Fuß die Treppe hinunter. Wenig später standen wir vor Frau Nitschmanns Kellerraum. Ich sah den Vogelbauer schon, bevor sie mit ihren zitterigen Händen das Vorhängeschloss geöffnet hatte. Kerim und Hung holten den Käfig heraus, und Frau Nitschmann fand sogar noch ein halbes Päckchen Vogelsand und eine Tüte Körnerfutter, die noch nicht mal angebrochen war. Gemeinsam transportierten wir alles nach oben zu ihrer Wohnung im vierten Stock. Ich versuchte, nicht darauf zu achten, wie komisch es darin roch. Ein bisschen nach Kohlsuppe, nach alter Bettwäsche und ein bisschen so, als hätte sie einfach nur lange kein Fenster mehr aufgemacht. Jetzt ging das auch nicht. Erst mussten wir den Spatz in den Käfig setzen. Violetta und Celina schleppten den Käfig ins Bad und machten ihn sauber, dann schüttete Emma den Vogelsand hinein. Benni durfte das Körnerfutter in einen kleinen Napf streuen und Hung kümmerte sich um das Wasser, damit der Spatz auch
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