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Wir Tiere: Roman (German Edition)

Wir Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Wir Tiere: Roman (German Edition)
Autoren: Justin Torres
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leise stöhnen, und nach einer Weile gingen wir in die Knie, hoben den Vorhang an und linsten darunter hervor. Ma saß auf dem Waschbecken, den Rücken am Spiegel, die Beine um Paps’ Taille geschlungen. Sie fuhr mit ihren Fingern seinen Rücken hinauf und hinunter. Ihre Hände waren klein und leicht, und die lackierten Fingernägel zogen Furchen in Paps’ Haut.
    Seine Hände wirkten auf ihrem Körper riesig. Er packte sie an den Hüften, zog sie zu sich hin, schob sie von sich weg, stetig, heimlich, drückte gerade fest genug, dass seine Finger in ihren Seiten zu versinken schienen wie in Treibsand, und als ich ihr ins Gesicht schaute, schien es, als hätte sie Schmerzen, aber sie wirkte nicht ängstlich, so als wäre der Schmerz gewollt.
    Wir sahen alles – dass Paps’ Blue Jeans an der Stelle ausgeblichen war, wo er seine Brieftasche trug, die Muskeln seines Bauchs, dass Ma die Augen zu hatte, Paps aber seine offen, dass er sie biss, dass sie sich beide fest aneinanderklammerten, dass Mas Knöchel überkreuzt waren und sie die Zehen reckte. Ihre Beine umschlangen und ließen ihn los, und er lehnte sie so weit zurück, dass ihre Haut die Haut ihres Spiegelbilds berührte, wie das Foto, das ich mal von siamesischen Zwillingen gesehen hatte. Der Wasserhahn bohrte sich in ihren unteren Rücken, das muss ihr wehgetan haben, das alles muss wehgetan haben, weil Paps viel größer und stämmiger war, und er war grob zu ihr, so wie er es mit uns gewesen war. Wir sahen auch, dass es ihr wehtun musste, ihn zu lieben.
    Paps lehnte Ma ganz weit zurück, ihr Haar kam durcheinander und spiegelte sich. Er biss ihr in den Hals wie in einen Apfel, und sie rollte den Kopf beiseite und entdeckte uns. Sie lächelte. Sie zog Paps’ Kopf von sich fort und drehte ihn um, damit er uns auch entdeckte.
    »Ich dachte, ihr seid verschwunden«, sagte er.
    »Du solltest nach uns suchen«, sagte Manny.
    »Ich glaub, ich hab was Besseres gefunden«, erwiderte Paps, und Ma schlug ihm gegen die Brust und schimpfte ihn einen Mistkerl. Sie machte sich von ihm los, rückte sich die Kleidung zurecht und strich sich die Haare glatt. Wieder wollte Paps sie am Hals küssen, doch sie entzog sich ihm.
    »Hol meine Stiefel aus dem Schrank«, bat sie. »Bitte, Papi, ich bin schon zu spät.«
    Wir seufzten und ließen uns auf den Po sinken, doch kaum war Paps aus dem Bad verschwunden, machte Ma das Licht aus, schloss die Tür, stieg zu uns in die Wanne und zog den Vorhang zu. Es war vollkommen dunkel; wir konnten sie nicht mal sehen, aber ihre Arme um uns spüren, und ihre Haare kitzelten meine nackten Schultern.
    »Wir zeigen es ihm«, sagte Ma, und wir liebten sie in diesem Augenblick mit aller Kraft.
    Wir hörten, wie er die Treppe hochstapfte. Wir hielten uns bereit. Dann lag seine Hand auf dem Türknauf, er hielt inne, und eine Sekunde lang schien es, als hätte er uns durchschaut, doch dann kam er herein, machte das Licht an, und wir stürzten hinter dem Vorhang hervor, drängten ihn auf den Flur hinaus und drückten ihn zu Boden. Ma hockte sich auf seinen Brustkorb, und wir kitzelten ihn überall. Er lachte aus tiefster Kehle, strampelte mit den Beinen und sagte: »Nein! Nein! Nein!«, lachte und lachte, bis er nur noch keuchte und ihm die Tränen in den Augen standen – doch selbst dann kitzelten wir weiter, bohrten ihm die Finger in die Seiten und kitzelten ihn an den Füßen, und alle lachten und machten so viel Krach wie nur möglich, doch keiner war so laut wie Paps.
    »Nein! Nein! Nein! Nein!«, sagte er weinend und noch immer lachend. »Ich krieg keine Luft mehr!«
    »Also gut«, sagte Ma, »es reicht.«
    Aber es reichte nicht. Uns waren die Handtücher abgefallen, Blut pumpte durch unsere nackten Leiber, unsere Hände zitterten vor Energie, wir waren lebendig, und es war nicht genug; wir wollten mehr. Wir kitzelten auch Ma, piksten sie, und sie ließ sich auf Paps’ Brust fallen und schützte ihren Kopf, und er schlang seine Arme um sie.
    Dann gab Manny Ma einen festen Schlag auf den Rücken. Er klang so satt, dieser Schlag seiner flachen Hand auf ihrer Haut.
    »Ihr solltet uns suchen«, sagte er.
    Joel und ich erstarrten, warteten auf irgendwelche Anzeichen von Ärger, warteten darauf, dass Paps etwas tat, ihm drohte, ihn schlug, irgendetwas. Wir standen da, Schultern eingezogen, wach wie aufgeschreckte Katzen, aber nichts passierte. Wieder schlug ihr Manny auf den Rücken, noch immer nichts. Stille. Ma legte nur ihre Hände auf Paps’
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