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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient
Autoren: Alena Schroeder
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Therapien. Wir begleiten die Frauen auch mit zum Jugendamt, weil viele unheimlich Angst haben, dass man ihnen die Kinder wegnimmt, wenn sie dort was Falsches sagen.
    Das hat natürlich den Nebeneffekt, dass viele Frauen auch nach ihrer Zeit bei uns mit ihren Problemen weiter zu uns kommen. Mit Briefen vom Amt, die sie nicht verstehen. Oder mit Formularen, die sie ausfüllen müssen. Das ist natürlich manchmal mühselig, andererseits finde ich es toll, bei manchen über mehrere Jahre die Entwicklung verfolgen zu können. Zu sehen: Die packen das, die rutschen nicht wieder in eine Gewaltbeziehung.
    Eigentlich ist es auch gar nicht die Arbeit mit den Frauen, dich mich am meisten belastet. Die macht ja auch Spaß und gibt mir viel Bestätigung. Belastend ist viel mehr das ganze Drumherum. Die ständige Sorge ums Geld, das ständige Beantragen von Förderung, das Zittern, ob die Anträge genehmigt werden - das raubt sehr viel Kraft und Energie. Ich muss viel Lobbyarbeit machen, mich mit Politikern und Geldgebern treffen und den Geldbedarf ständig rechtfertigen. Es gibt zum Beispiel
im Frauenschutzhaus Zeiten, da kommt jede Woche eine neue Frau zu uns. Manchmal klingelt aber auch sechs Wochen lang kein einziges Mal das Telefon. Und schon heißt es: »Aha, offensichtlich gibt es keinen Bedarf, dann braucht ihr ja auch nicht so viel Geld.«
    Natürlich wäre es gut, wenn wir mehr Personal hätten. Ich wäre zum Beispiel froh, wenn wir mehr psychologische Betreuung für die Kinder organisieren könnten. Im Moment kommt eine Kollegin von außerhalb ins Haus, die nur für die Kinder da ist. Und da sehe ich, wie wichtig das ist. Die Kinder merken das: Da kommt jemand nur für mich, ich bin auch wichtig. Ich kann nicht gleichzeitig Beraterin für die Mütter und die Kinder sein, weil die Kinder mir dann nicht alles erzählen. Die schützen ihre Mütter, ziehen sich oft total zurück, weil sie merken: Mama geht es nicht gut. Und da ist es wichtig, ihnen möglichst umfassend die Möglichkeit zu geben, bei jemandem ihre Sorgen loszuwerden, von dem sie sicher sein können, dass das nicht gleich die Mutter erfährt.
    Was mich häufig ärgert, ist der Vorwurf, wir würden Frauen gegen Männer aufhetzen. Oder den Männern das Umgangsrecht mit ihren Kindern verwehren. Das ist natürlich Quatsch. Im Übrigen beraten wir natürlich auch Männer, die Opfer häuslicher Gewalt werden. Pro Jahr sind es etwa drei Fälle, die Quote ist nicht sehr hoch. Aber natürlich hat jeder das Recht auf eine respektvolle und umfassende Beratung, egal ob Mann oder Frau.
    Männer werden natürlich auch geschlagen, manchmal von ihren Frauen, häufig aber auch von anderen Familienmitgliedern.
Da verprügelt der Sohn den Vater oder der Schwager oder der Bruder wird gewalttätig. Und für Männer ist die soziale Hürde, sich als Opfer erkennbar zu machen und sich Hilfe zu suchen, noch einmal höher. Da leiden Männer noch mehr unter den traditionellen Rollenzuweisungen als Frauen. Ich mache manchmal Fortbildungen für Polizisten zum Thema häusliche Gewalt. Und wenn dann die Sprache auf männliche Opfer kommt, sitzen die Jungs da und grinsen vor sich hin.
    Es wäre sicherlich gut, wenn es auch in meinem Beruf mehr Männer gäbe, aber bislang ist das schon eine Frauendomäne. Wir arbeiten eng mit einem Täterprojekt zusammen, eine Stelle, die Täter von häuslicher Gewalt berät, wie sie ihr Verhalten in den Griff bekommen können. Und es war sehr schwer, dafür männliche Sozialarbeiter zu finden.
    Ich werde oft gefragt, ob ich durch meine Arbeit nicht einen negativen Blick auf Männer bekomme. Ob ich Männer hasse. Und ich kann ganz klar sagen: nein! Ich kenne viele großartige Männer. Und gerade mein Mann muss sehr viel aushalten, sehr viel Verständnis haben und sich sehr viele Geschichten anhören. Wenn ich ihn nicht hätte, wenn er das nicht mittragen würde, könnte ich diesen Job gar nicht machen.
    Â 
    Jede vierte Frau in Deutschland erlebt mindestens einmal in ihrem Leben körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt. +++ Nach Angaben von Terre des Femmes fliehen jährlich 45 000 Frauen in Deutschland vor ihren gewalttätigen
Männern in Frauenhäuser. Inzwischen gibt es in einigen Gemeinden auch Männerhäuser, wo männliche Opfer häuslicher Gewalt Schutz finden. +++
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