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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient
Autoren: Alena Schroeder
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jemand.
    Das ist eigentlich eine sehr gute, gutbürgerliche Gegend hier. Aber man soll nicht glauben, dass hier deshalb weniger Alkoholiker rumlaufen. Tagsüber wahren die Leute
die feine Fassade, und abends in der Kneipe zeigen sie ihr wahres Gesicht.
    Ich kann Besoffene nicht ab. Das Gequatsche, das Gehabe, alles Drumherum, widerlich! Dann machen sie die Hose nicht zu, wenn sie auf dem Klo waren, pinkeln daneben, wie das halt so ist. Ich habe auch schon einen gehabt, der hat sich in seinem Suff splitternackt vor mir ausgezogen. Fragt mich: »Willst du mich mal nackend sehen?« Ich sage: »Nee, habe ich gar kein Verlangen nach!« Und er: »Na, ich mach’s aber gerne!« Ich sage: »Brauchst du nicht, ich will das jetzt wirklich nicht sehen!« Dann habe ich kurz weggeguckt und ein paar Gläser abgewaschen, und als ich wieder hochgucke, hatte der schon alle Klamotten ausgezogen …
    Ist schon traurig zu sehen, was der Alkohol aus Menschen macht. Ich kenne viele Gastronomen, die selber anfangen zu trinken, weil sie es anders auch nicht ertragen. Aber ich trinke nie während der Arbeit. Und wer voll ist, wird von mir auch gnadenlos hinausbefördert. Ich kann das ganz gut, ich hake die unter und setze sie draußen wieder ab. Ich denke, so was können Frauen auch besser, wenn Männer das machen, kommt schon eher mal aggressive Stimmung auf.
    Als ich jünger war, in meiner ersten Kneipe, da habe ich mit meiner Kollegin abends immer die besoffenen Kerle untergehakt, die, die schon mit dem Gesicht im Aschenbecher lagen und geschnarcht haben. Und die haben wir vor der Tür wieder abgeladen. Einen Sommer lang gab es direkt neben dem Eingang eine kleine Baugrube, da haben
einige auch die Nacht über in der Kuhle gelegen und ihren Rausch ausgeschlafen.
    Das war eine gute Schule, ich lasse mir auch heute nicht alles gefallen. Ein Gast, der ging mir schon ewig auf die Nerven, weil er ständig hinterm Tresen durch ist, wenn er mal aufs Klo musste. Ganz unangenehmer Typ. Und eines Abends war der Laden gerappelt voll, ich habe gezapft und gezapft wie eine Irre, und er schrie durch den ganzen Raum: »Ey, du blöde Kuh, wo bleibt mein Bier?« Da bin ich auf den Tresen gestiegen, hab ihn mir gegriffen und dem richtig eine gescheuert. Der war total perplex. Und ich: »So, zahlen und dann raus hier, und zwar deine ganze Bagage!« Danach hat er sich ein paar Monate lang nicht blicken lassen. Jetzt kommt er wieder und ist immer ausgesprochen freundlich.
    Ich habe natürlich auch schon diverse Eifersuchtsszenen miterlebt. Da stürmen Frauen in den Laden und gießen ihren Männern das Glas Bier übern Kopf oder schmeißen mit Schnapsgläsern. Sind natürlich immer herrlich, solche Szenen. Manche Männer kommen auch gern abwechselnd mit ihrer Ehefrau oder ihrer Freundin her. Finde ich schon ziemlich geschmacklos, aber so ist das eben.
    Wie gesagt: Seit dem Rauchverbot sind die wilden Zeiten ein bisschen vorbei, jetzt kommen die Gäste eher zum Essen. Aus gastronomischer Sicht muss ich sagen, dass Frauen furchtbare Gäste sind. Weil sie nichts verzehren. Die sitzen hier und kommen mit einem Glas Wasser und einem Salat über den Abend. So kann ich meine Miete nicht bezahlen.

    Im Sommer muss ich mit den paar Tischen draußen auf der Terrasse meinen Umsatz machen. Und da muss ich schon gucken, dass nicht an jedem Tisch ein einzelner Gast sitzt, sich stundenlang an einem Kaffee festhält und von mir auch noch unterhalten werden will. Das ist ja kein Biergarten hier.
    In den Achtzigerjahren, da hat bei den Gästen das Geld noch keine so große Rolle gespielt, da war egal, was es kostet. Da wurde auch noch Champagner getrunken, das wird heute kaum noch bestellt. Wenn jemand Geburtstag hat, dann kommt vielleicht mal eine Flasche Prosecco auf den Tisch. Jetzt habe ich hier manchmal einen Mann sitzen, von dem ich weiß, dass er Millionär ist. Und wenn er seine Rechnung zahlt, kommt er mir immer mit seinem ganzen Klimpergeld, mit 5- und 10-Cent-Stücken. Da sag ich dann: »Nee, das will ich nicht! Stecken Sie das wieder ein, geben Sie mir einen Schein, und ich gebe Ihnen den Rest raus. Ich habe doch keine Lust, hier heute Nacht mit einem Sack voll Kleingeld rauszumarschieren!«
    Die Konkurrenz unter den Wirten hier in der Gegend ist groß. Es gibt so Kandidaten, die hetzen sich ständig gegenseitig das Ordnungsamt auf den Hals. Wir hatten auch lange
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