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Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Titel: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit
Autoren: Tanja Langer
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Henriette einen tollen Einfall: Ich halt’s nicht mehr hier aus, Heinrich, komm, lass uns schon ans Wasser gehen, bitte, wir trinken den Kaffee am See! In die Küche laufen, mit der Wirtin sprechen,schnell, bald wird es dunkel, bald ist der Bote in Berlin, unsere Zeit hier ist bald vorbei, schnell, einen schönen Kaffee, dort drüben am See. Es ist doch nicht weit? Neunhundert Schritte vielleicht?
     
    So viel Kaffee. Das Mädchen stöhnt. Sie ist müde von der letzten Nacht. Sie möchte auch gern einen Kaffee. Doch der Kaffee ist teuer, er ist nichts für sie. Sie dreht die Mühle zwischen ihren Knien. Sie hört die Bohnen, die zerquetscht werden. Sie zieht den Duft ein, sie genießt ihn. Die Wirtin, Frau Friederike, gießt das Wasser selbst in das Kännchen. Das mittelgroße, zwei Portionen. Das Kännchen Milch dazu. Zucker in einer Dose aus Porzellan.
    Frau Riebisch soll den Kaffee hinuntertragen, ihr Mann möge ihr helfen mit Tisch und Stühlen. Herr Riebisch wird sich wundern, wir wissen es. Er wird sich am Kopf kratzen. Er wird ein bisschen ungehalten sein. Im Hühnerstall. Der gnädige Herr schüttet Rum in den Kaffee, und er muss Tisch und Stühle schleppen, im November, an den See. Gleich wird es dunkel, was soll der Unsinn?
    So, Henry and I
    We walked down the lane
    The weather was fine
    For a november day
    Noch im Alter wird der Tagelöhner Riebisch mit seiner Frau über diesen Tag sprechen. Auch ihre Kinder werden davon erzählen, und vermutlich auch die Enkel. Wie er mit seiner Frau Tisch und Stühle aufstellte, aufden schmutzigen Boden, unter den Kiefern, und wie die fremde Dame seine Frau einlud, die Milch zu trinken, die sie nicht brauchten. Wie er staunte, als sie es wirklich tat. Wie die beiden Leute sich lustig machten über sie und lachten, sie habe einen rechten Milchbart, wie entzückend! Wie er mit seiner Frau zum Gasthof zurückkehren wollte und seine Frau dem fremden Herrn aber dann noch einen Bleistift bringen sollte. Wie sie ihn brachte, allein, und das Geld für den Kaffee in Empfang nehmen sollte, am See. Wie sie fortging. Zur Chaussee, ihr wurde schon heiß vom vielen Hin und Her. Wie sie zwei Schüsse hörte, erst einen, dann noch einen, Vögel flatterten auf, und sich nichts dachte, was ihr Mann bis zuletzt bezweifelt hat. Wie sie dann doch zurücklief, zu dem kleinen Hügel am See, in der Dämmerung. Was sie dann sah.
    Die letzte Zeugin, die Frau mit dem Milchbart.
     
    Henriette und Heinrich laufen zum See hinab. Sie werfen Steinchen ins Wasser. Sie lachen. Sie rufen einander Herzliebchen und Kindchen. Henriette schwenkt ihren Korb. Das weiße Leinentuch, inzwischen nicht mehr ganz so glatt, und nicht mehr ganz so sauber, verdeckt den Inhalt. Zwei kleine, zur Sicherheit, eine große, blank geputzt, geladen.
     
    Komm, Heinrich, wir wollten doch – Es ist schon recht spät, wir müssen beginnen!
    Du hast recht, Henriette, wir wollen gleich um einen Bleistift bitten und –
    Kaffee!
     
    Kaffee, und ein kleines bisschen Rum. Gib mir noch ein kleines bisschen Rum. Haben wir nicht schon genug getrunken? Ja, du hast recht. Also gut. Keinen Rum mehr. Aber einen Bleistift! Sehr wohl. Einen Bleistift? Was soll denn das? Pscht. Wir haben es doch ausgemacht, hast du es denn schon vergessen? Damit die gute Frau fortgeht, aber bald wiederkommt. Damit sie uns hier findet. Ach so, ja, entschuldige, ich habe es vergessen. Wir haben sie doch schon nach Kaffee und Milch geschickt. Die Arme, sie rennt ja nur noch hin und her. Wie sie die Tasse mit der Milch leer getrunken hat! Sie hatte einen richtigen süßen kleinen Milchbart, wie ein Kind! Hör auf damit, sonst schlag ich dich! Sei leise! Komm jetzt, sonst kommt sie zurück, und ich muss mir noch etwas einfallen lassen. Es wird ja auch schon bald dunkel. Nichts sagen. Komm.
    Sieh mal, wie schön der See jetzt aussieht, im letzten Tageslicht! Sieh mal!
     
    Heinrich und ich liefen zum See hinab. Das Wetter war schön, für einen Novembertag. Ich trug mein weißes Kleid und meinen leuchtend blauen Mantel.
     
    Am Horizont, Richtung Potsdam, haben sich bleigraue Wolken versammelt, sie ziehen heran, breiten sich aus. Der Tag ist deutlich kühler als der letzte, das Licht hat sich verändert: von der Erinnerung an den Herbst ist es übergegangen zum beginnenden hellen Winterlicht. Die knorrigen Äste der Bäume, das Ufer gegenüber, die Krähen, alles gestochen scharf, schwarz.
    Vielleicht riecht es sogar nach Schnee.
    Vielleicht wäre es schön, wenn
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