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Wir kommen von der Presse

Wir kommen von der Presse

Titel: Wir kommen von der Presse
Autoren: Walter Gronemann
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die erst verschwinden, verkauft die Wohnbaugesellschaft das ganze Gelände, und kassiert dafür zig Millionen. Die Maschinenfabrik soll angeblich besonders stark daran interessiert sein. Sie soll sogar schon Pläne für ein neues Verwaltungsgebäude vorbereitet haben.«
    Die Kinder sahen sich erschrocken an.
    »Komm«, sagte Ute betrübt, »ich will da gar nicht länger zuhören.«
    Eine andere Unterhaltung hörten sie mit, als sie an dem neugestrichenen grünen Haus vorbeikamen. Ein junges
    Paar stand davor und betrachtete das hübsche Haus, das die Siedlungsbewohner in gemeinschaftlicher Arbeit so ansehnlich herausgeputzt hatten.
    »Wenn wir verheiratet sind«, sagte der junge Mann, »möchte ich lieber in so einem Haus wohnen als in einem supermodernen Neubau. Was meinst du?«
    »Äußerlich sieht dieses natürlich viel schicker aus, das ist klar«, meinte das junge Mädchen zögernd. »Aber innen ist es bestimmt furchtbar unpraktisch. Man müßte es völlig umbauen und modernisieren, dann würde ich sofort einziehen.«
    »Umbauen, ja, das dürfte nicht allzu teuer sein, das könnten wir bezahlen«, sagte der junge Mann begeistert. »Gemütlich kann man’s sich da drinnen bestimmt machen.« Er gab dem Mädchen einen Kuß. »Schatz, wir sind uns mal wieder einig!«
    Kurz darauf trafen Ute und Klaus Herrn Dorsch. Er durchstreifte die »Felizitas«, ebenso wie sie, mit knipsbereiter Kamera und hörte sich um, was die Leute über die Kolonie redeten.
    »Wart ihr schon am Bierstand?« fragte er die beiden. »Bis jetzt noch nicht«, erwiderte Klaus. »Kriegt man dort auch Sprudel? Ich mag nämlich kein Bier.«
    Ob Bier oder Sprudel, darauf käme es nicht an, meinte Herr Dorsch. »Aber ihr solltet hingehen, um vielleicht dem einen oder anderen Gespräch zuzuhören. Ich hab’ nämlich erfahren, daß die wichtigsten Leute von der Stadtverwaltung und der Wohnbaugesellschaft Herrn Neuberts Einladung angenommen haben, um sich beim Bier mal vernünftig und eingehend mit den Koloniebewohnern zu unterhalten.«
    »Da müssen wir aber sofort hin!« erklärte Ute, und sie drängten sich gemeinsam mit Herrn Dorsch durch die Menschenmenge auf den runden Bierstand mit dem rotweiß gestreiften Zeltdach zu.
    Der Stand war von Bewohnern der Kolonie und Besuchern dicht umdrängt. Auch Herr Neubert war unter ihnen. Er sprach gerade sehr eindringlich mit zwei älteren Herren, die aussahen, als ob sie zu den einflußreichen Gästen gehörten.
    Trotzdem hatte er die Ankömmlinge sofort erspäht. »Hallo!« rief er und winkte ihnen zu. »Da kommen ja gleich drei von der Presse!«
    »Wieso drei?« fragte einer der Herren erstaunt. »Ich sehe nur einen.« Er schaute dabei Herrn Dorsch an.
    Herr Neubert zeigte auf Ute und Klaus. »Diese zwei übersehen Sie wohl, wie?«
    Jetzt bemerkte der Herr die Presseschildchen, die Kamera und den Recorder, und er lächelte herablassend. »Nee, nee, da brauchen Sie gar nicht zu lachen«, sagte Herr Neubert. »Ute und Klaus haben sich mehr Gedanken um unsere Kolonie gemacht als die meisten anderen Leute in der Stadt. Wir von der ,Felizitas’ verdanken ihnen allerhand.«
    »Jawohl, das kann ich auch bezeugen«, bestätigte Herr Dorsch. »Und wenn es nach mir ginge und falls die Siedlung wirklich vor dem Abbruch gerettet werden sollte, würde ich einen der Wege hier in der Kolonie ,Ute-und-Klaus-Weg’ nennen.«
    »Das ist ein guter Vorschlag«, meinte Herr Neubert. Ute und Klaus wurden rot vor Verlegenheit und vor Freude über das unerwartete Lob.
    Das Gedränge am Bierstand nahm immer mehr zu, und die beiden wurden von den Erwachsenen einfach beiseite geschoben. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Menge aus einigen Schritten Entfernung zu beobachten. Wie sie aufeinander einredeten! Heftig oder beschwörend, ruhig und gelassen oder auch laut schimpfend. Ute und Klaus mußten sich allerdings sehr anstrengen, um hier und da einige Sätze zu verstehen.
    »Ein Verwaltungsgebäude? Lächerlich! Wir haben genug häßliche Bauten in der Stadt!«
    »Aber Leute! Seid doch vernünftig! Ihr sollt dafür doch viel modernere Wohnungen kriegen.«
    »Was ihr besser nennt, ist für uns schlechter!«
    »Was ihr mit uns vorhabt, ist Unrecht und Willkür!« Einige wurden so laut, daß Ute Klaus zuflüsterte: »Paß auf, gleich hauen sie sich!«
    »Mensch, das muß ich knipsen!« sagte Klaus. Vorsichtshalber stellte er an der Kamera gleich die richtige Entfernung ein. »‘ne Schlägerei haben wir noch nicht gehabt.«
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