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Wir kommen von der Presse

Wir kommen von der Presse

Titel: Wir kommen von der Presse
Autoren: Walter Gronemann
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in dem ein Goldfisch schwamm. Unter dem Bild stand deutlich lesbar: »Dieser Goldfisch heißt August-Wilhelm, auch er lebt in der Kolonie. Leider kann er hier nicht persönlich ausgestellt werden.«
    Dicht neben der Kleintierschau war Schmuddels Vater mit einer Ausstellung vertreten. »Hier erfahren Sie alles über Brieftauben« stand auf einem Plakat. Es gab Informationstafeln über die verschiedenen Taubenrassen, einen Reisekorb für Tauben, einen Taubenschlag und eine große Landkarte von Europa. Auf der Karte waren viele rote Fäden gespannt: die Flugrouten der Brieftauben. Aus allen Himmelsrichtungen liefen sie auf einen Punkt, ungefähr in der Mitte der Karte, zu. Und dort stand groß: »Kolonie Felizitas«.
    Gegen fünf Uhr drängten sich die Besucher in der Siedlung bereits wie auf einem Jahrmarkt.
    Nun stiegen zwei bärtige junge Männer mit Gitarren auf die leicht erhöhte Tanzfläche. Sie spielten und sangen einige Lieder. Es waren alte Lieder von Handwerksburschen und Bergleuten. Wahrscheinlich hatten die Sänger gerade diese Lieder gewählt, weil ja die Kolonie vor gut hundert Jahren für die Bergleute der Zeche »Felizitas« gebaut worden war. Die beiden Musiker aber trugen die alten Lieder so flott vor, als wären es die allerneuesten Hits.
    Zwischendurch rief einer der beiden Sänger: »Es darf laut mitgesungen werden!«
    Die meisten Zuhörer lachten zwar nur darüber, aber einige stimmten sofort unbekümmert ein. Und weil sie sehr kräftig sangen, begeisterten sie nach und nach auch etliche andere. Bis schließlich eine stattliche Menge das Lied vom wanderlustigen Müller fröhlich und ohne Hemmungen mitsang.
    »Wenn’s euch Spaß macht«, rief einer der Sänger vom Podium herunter, »schmettern wir gemeinsam noch ein paar weitere Lieder!«
    Und es war wirklich erstaunlich, wie viele Leute es gab, denen das Mitsingen Spaß machte.
    Ute und Klaus gehörten natürlich zu den allerersten Besuchern. Sie spazierten durch die ganze Siedlung. Sie sahen hier zu, beobachteten dort und beteiligten sich eifrig an den Wettkämpfen auf der Wiese. Natürlich sangen sie auch begeistert mit. Vor allem aber befragten sie die Besucher.
    »Wohnen Sie ebenfalls hier in der Kolonie?« fragte Klaus einen Mann, der auf dem kleinen Flohmarkt gerade in einem Haufen alter Bücher stöberte. Ute hielt das Mikrofon bereit.
    »Jetzt wohne ich nicht mehr hier«, erwiderte der Mann. »Aber ich bin in der Kolonie geboren und aufgewachsen. Drüben an der Ecke steht mein Elternhaus. Als ich dann heiratete, mußte ich mir woanders eine Wohnung suchen. Leider. Denn in der Kolonie wird selten was frei. Wer einmal hier wohnt, der bleibt auch und zieht freiwillig nicht wieder aus.«
    »Glauben Sie, daß die Kolonie wirklich bald abgerissen wird?« wollte Ute wissen.
    Der Mann machte ein bedenkliches Gesicht. »Ich hab’ wenig Hoffnungen für die ,Felizitas’. Sie gehört einer großen Wohnbaugesellschaft. Die will den Baugrund rentabler nutzen. Und wenn die Bosse der Gesellschaft sich etwas in den Kopf gesetzt haben, dann lassen sie sich nicht so leicht davon abbringen.«
    An der Würstchenbude fragten Ute und Klaus zwei Mädchen, was ihnen auf dem Fest bis jetzt am besten gefallen habe. Die beiden hatten gerade in ihre Würstchen gebissen. Und da diese sehr heiß waren, konnten die Mädchen nicht sofort antworten. Ute und Klaus warteten geduldig.
    »Am besten?« Das größere Mädchen überlegte und kaute dabei weiter. »Mir gefällt die Kleintierschau am besten. Obwohl da ja noch ein paar Tiere fehlen. Nämlich Katzen und Hunde. Ich kenne jedenfalls drei Kinder hier, die einen Hund haben. Die Koloniekinder haben’s gut, die dürfen Hunde halten. Dort, wo wir wohnen, ist das streng verboten.«
    Die beiden Mädchen wohnten in der Nähe der Kolonie. Aber dort könne man gar nicht spielen, der vielen Autos wegen, erzählten sie. Deshalb kämen sie sooft wie möglich herüber.
    »Die Felizitas’ ist der allerschönste Spielplatz«, sagte das kleinere Mädchen.
    Ute und Klaus schlenderten weiter durch die Siedlung. Vor der Losbude drängten sich viele Menschen. Und hier hörten Ute und Klaus zufällig ein Gespräch zwischen zwei Männern mit.
    »Der Grund und Boden, auf dem die ,Felizitas’ steht«, sagte der eine, »ist viel zu teuer, um in den Gärten Blumen, Erdbeeren und Gemüse zu pflanzen.«
    »Der Meinung bin ich auch«, entgegnete der andere Mann. »Die alten Häuser sind nur noch völlig veraltete und wertlose Bruchbuden. Wenn
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