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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen
Autoren: D Woodrell
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Hände zu holen. Der Himmel war voll von ausdruckslosen Wolken. Ree und Baskin trafen sich auf der Veranda. Er starrte Ree an, mit seinem großen Hut und zusammengekniffenen Lippen. Dads Hände lagen in einem Leinensack, der noch feucht war. »Woher zum Teufel hast du die?« fragte Baskin.
    »Die hat jemand letzte Nacht auf die Veranda geworfen.«
    »Ach ja? Haben sie vorher angeklopft?«
    »Nein. Ich hab was fallen hören. Dann bin ich aufgestanden und hab sie gefunden.«
    »Hm. Ich werd mal so tun, als würde ich das glauben, Mädchen, aus Respekt vor deinem Leid und all dem. Weißt du, eigentlich mochte ich den alten Jessup. Er war gar keine so üble Gesellschaft. Wenigstens konnte er gut Witze erzählen. Amen.« Er öffnete den Sack, sah hinein und drehte ihn wieder zu. »Ich schätze, ich bring die Hände in die Stadt und lass mir vom Doc erzählen, ob es seine sind.«
    »Sind sie, Mann. Das sind Dads Hände.«
    »Das werden wir schon noch früh genug erfahren.« Baskin stand breitbeinig da, knabberte an seinen trockenenLippen und ließ den Leinensack an der Hand baumeln. Die Hutkrempe beschirmte seine Augen. »Ich hab neulich nicht geschossen, weil du dabei warst. In dem Pick-up, weißt du? Teardrop hat sonst immer nachgegeben.«
    »Kam mir aber nicht so vor.«
    »Fang ja nicht an und erzähl das den Leuten, Mädchen. Ich will nicht, dass so eine Geschichte rumgeht.«
    »Ich rede sowieso nicht viel über Sie, Mann.«
    Baskin rollte den Sack zu einem kompakten braunen Bündel zusammen und stapfte die Verandatreppe hinunter. Ohne sich noch einmal umzudrehen, sagte er: »Manchmal macht ihr Leute mich einfach krank, weißt du das?«
    Als die Jungs aus der Schule kamen, erklärte Ree ihnen, dass Dad für immer fort sei, dass sie ihn nie wiedersehen würden, nicht in diesem Leben. Die beiden erwiderten, das hätten sie sich schon fast gedacht, und Harold fragte, wie es denn so im Himmel sei. »Sandig. Jede Menge lustiger Vögel. Immer sonnig, aber niemals zu heiß.«
    Am nächsten Tag räumte sie in Dads Schuppen auf. In einer Ecke standen Rechen und Hacken. An einem Holzbalken baumelte ein Sandsack aus zerschundenem roten Leder an einer Kette. Die Kette hatte vom Hin-und-her-Schwingen eine tiefe Kerbe ins Holz gebohrt. Ree trat gegen den Sack. Die Kette rasselte, und sie erinnerte sich, wie glücklich sie immer gewesen war, wenn sie hörte, dass Dad auf den Sack einschlug und die Kette rasselte,wenn der Sack hüpfte. Im Jahr nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis war er Tag für Tag hier draußen und hatte auf den Sack eingedroschen. Er nannte den Sack
Hagler
und brachte Ree bei, wie man schlagen musste. Das Leder schnitt ihre Knöchel auf, und die Handschuhe waren so schwer, dass sie mit aller Kraft ausholen musste, um auch nur einen einzigen lahmen Treffer zu landen. Die Handschuhe baumelten noch immer an einem Nagel in der Wand.
    Als die Jungs nach Hause kamen, wartete sie in der Tür auf sie und hielt die Handschuhe in der Hand.
    »Da ist noch was, was ihr beiden lernen müsst. Kämpfen. Ich kann euch zeigen, was mir Dad gezeigt hat. Klopft die Spinnweben aus den Handschuhen, dann binde ich sie euch zu.«
    Die Jungs machten sich große Sorgen wegen der Spinnen, Spinnen in den alten Handschuhen, die aufwachen, das süße Blut in ihren jungen Fingern riechen und aus Rissen in der Füllung herauskriechen, um sie zu beißen. Sie schlugen die Handschuhe gegen die Wände und den Kanonenofen, hielten sie hoch und schüttelten sie, stocherten mit Gabeln darin herum. Ree zog ihnen die Handschuhe über die Hände und band sie zu. Ihre Hände waren zu klein für die Boxhandschuhe, aber Ree zog die Senkel so fest zu, dass sie hielten. Sie zeigte ihnen, wie man stand, linker Fuß vor, linke Faust vor, rechte Faust neben das Ohr.
    »Legt euer Gewicht hinter die Schläge, das ist …« Sie schaute aus dem Fenster und sah Teardrop auf den Hoffahren. »Einen Augenblick.« Sie hielt ihrem Onkel die Tür auf. Die Jungs warteten gar nicht erst auf weitere Anweisungen, sondern gingen aufeinander los. Sie schlugen sich, rutschten über die Dielen, duckten sich hinter die Couch oder die Sessel, kreischten bei jedem Treffer. Teardrop trat ins Haus. Er wirkte müde, seine Haare waren ungekämmt, tagealte Bartstoppeln färbten seine Wangen blau, er trug eine schwarze Hose mit Schlammspritzern an den Hosenbeinen. Sie drückte seinen Arm und sagte: »Komm, setz dich.«
    Teardrop sah den Jungs interessiert zu. Sie droschen mit den
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