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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen
Autoren: D Woodrell
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Stopper dahinter, falls ein Stopper nötig werden sollte.
    »Oh! Hi, Sonya. Komm rein.«
    Sonya trug einen Pappkarton, über dessen Rand ein Stück Wild mit einem langen Knochen hinausragte. Sonya war dick und schwer, mit grauen Haaren und einer beschlagenen Brille. Sie hatte vier Kinder großgezogen und davongehen sehen, und sie hatte einen Mann, der für viele Frauen in dieser Gegend noch immer gut aussah und dies auch wusste, weshalb sie sich nie den Argwohn aus dem Gesicht wischen konnte. Blond Milton stand ziemlich weit oben bei den Dollys, und Ree wusste, er hatte vor Jahren heimlich ein paar Stunden mit Mom verbracht, schmerzliche Stunden, die Sonya ihr noch immer nicht verziehen hatte.
    »Wollte nicht, dass ihr alle denkt, wir hätten euch vergessen.« Sonya stellte den Karton auf einem Stuhl ab. Sie legte die Hände zusammen, schaute in die Schatten desHauses und bemerkte die Unordnung. Sie verzog die Nase und runzelte die Stirn. Die Art, wie sie die verschränkten Hände vor die Brust hielt, hatte etwas von einer Predigt. »Hab Fleisch für euch. Dosenzeugs. Etwas Butter und so was.«
    »Wir können es brauchen.«
    »Wie geht’s denn deiner Ma?«
    »Nicht besser.«
    Die trockene Wäsche hing noch auf der Leine, und die Jungs husteten.
    »Du armes Ding. Ich sag Betsy Milton, sie soll einen Stapel Holz für euch alle rüberbringen. Dein Vorrat ist ja fast weg. Wir haben gesehen, dass das Gesetz heute Nachmittag da war und mit dir geredet hat.«
    »Sie sind auf der Suche nach Dad. Er hat nächste Woche einen Gerichtstermin.«
    »So, er sucht also Jessup.« Sonya schob die Brille vor und sah Ree von unten an. »Weißt du, wo er ist?«
    »Nein.«
    »Nein? Gut, dann konntest du ihm ja auch nichts sagen. Oder doch?«
    »Selbst wenn ich was wüsste, würde ich nichts sagen.«
    »Oh, das wissen wir.« Sonya wandte sich zur Tür, öffnete sie zur kalten Nacht und blieb stehen. »Wenn Jessups Gerichtstermin erst nächste Woche ist, dann frag ich mich, warum das Gesetz heute mit ihm reden will? Ich frag mich ernsthaft, warum.«
    Sonya wartete die Antwort nicht ab, sondern ging hinaus, zog die Tür zu und eilte die Stufen hinunter. Reesah ihr durchs Fenster nach, bis sie die schmale Brücke erreicht und den Bach überquert hatte. Dann nahm sie den Karton, indem sie ihre Arme darum schlang und die Hände ineinander verhakte. Als sie den Karton zum Küchentresen trug, kehrten gute Gerüche zurück, die diese Küche schon lange verlassen hatten. Sonny und Harold husteten und schnieften, schossen dann aber gemeinsam unter der Flickendecke hervor und eilten zu den Nahrungsmitteln hinüber. Sie öffneten Tüten, hoben Dosen an, krächzten: »Oh Mann, oh Mann.«
    Ree sah vier Tage in diesem Karton. Vier, vielleicht fünf Tage ohne Hunger oder Sorge, dass der Hunger bei Tagesanbruch wiederkam. »Ich mache heute Abend Hirschragout. Klingt das gut? Ihr beiden müsst zuschauen, wie ich das mache. Habt ihr gehört? Holt die Stühle rüber, stellt euch drauf und schaut genau zu. Merkt euch, was ich mache, dann könnt ihr beiden das auch.«

REE WÜRDE BEI ONKEL TEARDROP anfangen, auch wenn sie Angst vor ihm hatte. Er lebte drei Meilen weiter den Bach entlang, aber Ree nahm die Eisenbahnschienen. Der Schnee bedeckte das Schotterbett und legte zwei Buckel über die Schienen, und diese Buckel leiteten sie. Ree bahnte sich ihren Weg durch den Schnee, stapfte langsam dahin. Der Morgenhimmel war grau und niedrig, und der Wind hatte Biss und trieb ihr Tränen in die Augen. Sie hatte ein grünes Kapuzensweatshirt an und Großmutters schwarzen Mantel. Ree trug fast immer ein Kleid oder einen Rock, aber mit den Kampfstiefeln, und heute war der Rock blau kariert. Ihre Knie waren frei, wenn sie ihre langen Beine nach vorne warf und den Schnee zusammentrat.
    Die Welt wirkte in sich versunken und still, und ihre knirschenden Schritte hallten laut wie Axtschläge. Als sie an diesen Hängen an Häusern vorbeiknirschte, bellten die Hofhunde unter den Veranden, doch keiner von ihnen kam heraus, rannte auf sie zu und fletschte die Zähne. Rauch stieg aus den Schornsteinen und wurde vom Wind flach nach Osten gedrückt. Eine Hirschspur führte unter Schragen hindurch, die den Bach überspannten, in den Flachstellen klammerte sich dünnes Eis an die Felsen. Wo der Bach sich gabelte, verließ Ree das Gleis und stiegdurch tiefen Schnee den Hügel hinauf, vorbei an einem alten Pionierzaun aus aufgeschichteten Steinen.
    Onkel Teardrops Haus stand unterhalb
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