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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen
Autoren: D Woodrell
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rumkutschierenzu lassen. Habt ihr gehört? So weit ist das nicht zu laufen.« Sie sah über den Bach, bemerkte, wie Vorhänge beiseitegeschoben wurden. Sie wies den Hang hoch auf den Holzstapel. »Rauf mit euch, bringt das Holz in die Küche. Los.«
    »Ich wollte sowieso herkommen«, erklärte der Deputy.
    »Und warum zum Teufel?«
    Ree wusste, der Deputy hieß Baskin. Er war klein, aber stämmig, und man erzählte sich, dass man sich mit ihm besser nur im Notfall anlegte. Er zog schnell und war noch schneller mit dem Schlagstock. Auf dem Land fuhren die Deputys ihre Einsätze allein, Verstärkung war immer eine Stunde oder mehr entfernt, da stand die genaue Einhaltung der Dienstvorschrift nicht an erster Stelle. Auch nicht an zweiter. Baskins Frau war eine Tankersly aus Haslam Springs, Mom war mit ihr zur Schule gegangen, von der ersten bis zur letzten Klasse. Sie war mit ihr befreundet gewesen, bis sie beide heirateten. Baskin hatte Jessup im letzten Spätsommer auf der Veranda verhaftet.
    »Darf ich reinkommen?« fragte Baskin. Er wischte sich den Schnee von den Schultern. »Ich muss mit deiner Mama reden.«
    »Sie ist nicht in der Stimmung.«
    »Bitte mich ins Haus oder sieh zu, wie ich alleine reingehe. Was immer dir besser gefällt.«
    »Ach, so läuft das also?«
    »Hör zu. Ich bin nicht zwei Stunden über schlechte Straßen gefahren, um mir dein Lächeln anzuschauen,Mädchen. Ich habe Gründe. Bitte mich ins Haus oder komm mir nach. Es ist verdammt kalt hier draußen.«
    Er ging auf die Veranda zu. Ree eilte an ihm vorbei und stellte sich vor die Tür.
    »Schuhe abtreten. Machen Sie bloß nicht den Fußboden dreckig.«
    Baskin blieb stehen und ließ für einen Augenblick den Kopf sinken wie ein nachdenklicher Stier, dann nickte er und trat sich übertrieben die Schuhe ab. Die Verandaplanken schwangen, der Schnee fiel vom Geländer, und das Stampfen drang durchs ganze Tal. »Gut so?«
    Ree zuckte mit den Schultern, hielt ihm aber die Tür auf und warf sie hinter ihm zu, als er die Absätze gerade über der Schwelle hatte. Wäsche hing in drei Reihen quer durch die Küche, Hemden fielen bis auf Augenhöhe, Kleider und Hosen noch tiefer. Unter den dickeren Kleidungsstücken hatten sich Pfützen gebildet, Rinnsale folgten dem schrägen Fußboden bis an die Wand. Am leichtesten konnte man sich dort fortbewegen, wo Unterwäsche und Socken mehr Kopffreiheit erlaubten. Mom saß in ihrem Stuhl neben dem Ofen und summte gedankenverloren vor sich hin, bis sie Baskin entdeckte, der sich unter ihren feuchten Schlüpfern hindurchduckte.
    »Nicht im Haus meines Vaters!« Sie lächelte breit, als würde sie sich über die Kapriolen eines sympathischen Trottels amüsieren. Sie schaukelte mit ihrem Stuhl, lachte und schloss halb die Augen. »Nein, nein, nein, mein Herr.« Sie zog einen Schmollmund, schüttelte den Kopf und war plötzlich wieder trübsinnig. »Sie können einMädchen nicht einfach im Haus ihres Vaters verhaften.« Sie sah Baskin nicht an, sondern senkte den Kopf, hob ihre Knie an die Brust und faltete sich zu einer Gestalt vorsichtig dargebotener, gequälter Bußfertigkeit zusammen. »Hab ich gelesen. Da drüben irgendwo. In Daddys Haus dürfen Sie gar nichts machen.«
    Ree beobachtete, welche Reaktionen sich in Baskins Gesicht abspielten: kurze Besorgnis, dann Verwirrung, Trauer, Resignation, Mitleid. Sie wartete, bis er sich ratlos von Mom wegdrehte und den Mund verzog. Dann forderte sie: »Sagen Sie es mir.«
    Die Jungs kamen mit von der Kälte geröteten Wangen und feuchten Haaren durch den Hintereingang und ließen Arme voll Brennholz neben den Kanonenofen fallen. Ein paar Scheite waren voller Schnee, der auf den Boden tropfte. Die Jungs gingen hinaus, um noch mehr Holz zu holen. Baskin nickte ihnen hinterher und sagte: »Besser, wir reden draußen auf der Veranda.«
    »So schlimm?«
    »Noch nicht. Aber man weiß ja nie.«
    Die Veranda war umgeben von einem Vorhang aus Schnee. Ree und Baskin standen einen Augenblick stumm und etwas verlegen da, ihr Atem stieg weiß zu den vorbeihuschenden Flocken empor. Die Dollys von der anderen Bachseite versammelten sich an den Fleischbäumen. Sie hielten große Messer in den Händen und säbelten damit an den Seilen herum, bis das Fleisch zu Boden fiel. Ab und zu hielten Blond Milton, Sonya und die anderen inne und sahen zu ihnen herüber.
    »Du weißt doch, dass Jessup auf Kaution draußen ist, oder?«
    »Na und?«
    »Und du weißt, dass er Crystal Meth kocht,
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