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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond
Autoren: Dean R. Koontz
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zerrte.
    »Was ist hier los?« fragte Luther und ging auf den Burschen zu, während ein Donner durch den tiefhängenden Himmel rollte und ein paar Tropfen aus den schwarzen Wolken auf die Blumentöpfe prasselten.
    Jack wollte Luther folgen, doch dann sah er, daß sich die Anzugjakke des Blonden auf dem Rücken ausbeulte, als steckten Fledermausflügel darunter. Aber vor einem Augenblick war die Jacke noch zugeknöpft gewesen. Ein Zweireiher, zweimal zugeknöpft. Der wütende Mann kehrte ihnen immer noch den Rücken zu, die Schultern eingezogen, den Kopf gesenkt. Wegen des weit sitzenden und aufgebauschten Anzugs kam er Jack kaum wie ein Mensch, sondern eher wie ein buckliger Troll vor. Der Bursche drehte sich nun langsam zu ihnen um, und Jack wäre nicht überrascht gewesen, hätte er die deformierte Schnauze eines Tiers gesehen, doch er hatte noch dasselbe gebräunte und glattrasierte Gesicht wie zuvor. Warum hatte das Arschloch das Jackett aufgeknöpft, wenn sich nicht etwas darunter befand, das er benötigte, und welchen Gegenstand würde ein unvernünftiger und wütender Mann schon unter seinem Jackett verbergen, der weitsitzenden Jacke seines Anzugs, der gottverdammten weiten Jacke? Jack rief Luther eine Warnung zu. Doch Luther schien den Ärger auch schon gespürt zu haben. Seine rechte Hand bewegte sich zu dem Halfter an seiner Hüfte. Der seltsame Typ war im Vorteil, weil er die Initiative ergriffen hatte. Niemand konnte ahnen, daß es zu einer Gewalttat kommen würde, bis er sie entfesselte. Jetzt hatte er sich ganz zu ihnen umgedreht. Er hielt seine Waffe mit beiden Händen, noch bevor Luther und Jack ihre Revolver auch nur berührt hatten. Die Schüsse einer Automatik hämmerten in den Tag. Kugeln schlugen in Luthers Brust, rissen den großen Mann von den Füßen und schleuderten ihn zurück, und Hassam Arkadian wurde von der Einwirkung von zwei, drei Schüssen herumgerissen und stürzte, vor Schmerz schreiend, zu Boden. Jack warf sich gegen die Glastür des Kassenraums. Er hätte es fast geschafft, sich in Deckung zu rollen, doch dann bekam er einen Schuß ins linke Bein ab. Er hatte das Gefühl, als hätte man ihm mit einer Brechstange auf den Schenkel geschlagen, doch es war eine Kugel, kein Schlag. Er warf sich bäuchlings auf den Boden des Verkaufsraums. Die Tür fiel hinter ihm zu, Schüsse zerschmetterten sie, und zahlreiche Scherben des gehärteten Glases regneten auf seinen Rücken hinab. Der Schmerz trieb heißen Schweiß aus seiner Haut. Ein Radio plärrte. Oldies but Goldies. Dionne Warwick. Sie sang darüber, daß die Welt Liebe brauchte, süße Liebe. Draußen schrie Arkadian noch immer, aber von Luther Bryson kam kein Laut mehr. Luther war tot. Jack konnte nicht daran denken. Tot. Wagte nicht daran zu denken. Tot. Das Bellen weiterer Schüsse.Eine andere Person schrie auf. Wahrscheinlich der Angestellte, der sich um den Lexus gekümmert hatte. Es war kein langer Schrei. Kurz, sofort wieder abgewürgt. Draußen schrie auch Arkadian nicht mehr. Er schluchzte und rief Gott um Beistand. Der harte, kalte Wind ließ die Scheiben aus Panzerglas vibrieren. Er heulte durch die zerschmetterte Tür. Der Schütze würde kommen.

ZWEITES KAPITEL
    Jack war erstaunt über die Menge seines eigenen Blutes, das sich auf den Bodenfliesen aus Vinyl um ihn ausbreitete. Übelkeit stieg in ihm empor, und öliger Schweiß strömte sein Gesicht hinab. Er konnte den Blick nicht von dem immer größer werdenden Fleck abwenden, der seine Hosen dunkel färbte. Er war noch nie angeschossen worden. Der Schmerz war schrecklich, aber nicht so schlimm, wie er es erwartet hätte. Schlimmer als der Schmerz war das Gefühl, verletzt worden und verletzbar zu sein, eine schreckliche, hektische Klarheit, wie zerbrechlich der menschliche Körper in Wirklichkeit doch war. Er würde nicht mehr lange bei Bewußtsein bleiben. Schon nagte eine hungrige Dunkelheit die Ränder seines Blickfelds ab. Wahrscheinlich konnte er das linke Bein nicht mehr belasten, und ihm blieb keine Zeit, sich allein mit Hilfe des rechten aufzurichten, nicht in so einer ungeschützten Position. Glassplitter abwerfend, wie eine Schlange mit hellen Schuppen ihre Haut abwerfen würde, und unabsichtlich eine Blutspur hinterlassend, kroch er auf dem Bauch den L-förmigen Tresen entlang, hinter dem Arkadians Registrierkasse stand. Der Schütze würde kommen. Den Geräuschen, die die Waffe erzeugt hatte, und dem Blick zufolge, den er hatte auf sie werfen können,
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