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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond
Autoren: Dean R. Koontz
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es wäre mir peinlich, darüber zu sprechen.« Arkadian errötete tatsächlich bei dem Gedanken daran, was er ihnen erzählen könnte. Er klimperte weiterhin mit den Schlüsseln vor den geöffneten Türen und erinnerte Jack fast an einen Voodoo-Priester, der einen Zauberspruch aufsagte - in diesem Fall einen, der den Abschaum fernhalten sollte, der seine Toiletten ruinieren würde. Sein Gesicht war so gefleckt und aufgewühlt wie der stürmische Himmel.
    »Ich will Ihnen was sagen. Hassam Arkadian arbeitet sechzig oder siebzig Stunden die Woche, Hassam Arkadian gibt acht Leuten Brot und Arbeit, und Hassam Arkadian gibt die Hälfte von dem, was er verdient, wieder als Steuern ab, aber Hassam Arkadian wird nicht sein Leben damit verbringen, Erbrochenes wegzuputzen, weil ein Haufen dummer Bürokraten mehr Mitleid mit ein paar faulen, betrunkenen, verrückten, drogensüchtigen Taugenichtsen hat als mit Leuten, die, verdammt noch mal, versuchen, ein anständiges Leben zu führen.«
    Erschöpft und außer Atem beendete er seine Rede. Er hatte aufgehört, mit den Schlüsseln zu scheppern, und seufzte. Zog die Türen zu und schloß sie ab. Jack kam sich überflüssig vor. Er merkte, daß auch Luther sich unbehaglich fühlte. Manchmal konnte ein Cop für ein Opfer nicht viel mehr tun, als mitfühlend zu nicken und mit bedauerndem Ausdruck den Kopf darüber zu schütteln, was aus der Stadt geworden war. Das war eins der schlimmsten Dinge an ihrem Job. Mr. Arkadian ging wieder um die Ecke, zurück zu den Zapfsäulen. Er schritt nicht mehr so schnell aus wie zuvor. Er ließ die Schultern hängen und wirkte nun eher niedergeschlagen als wütend, als hätte er, vielleicht auf einer unterbewußten Ebene, den Entschluß gefaßt, den Kampf aufzugeben. Jack hoffte, daß dies nicht der Fall war. Hassam versuchte Tag für Tag, den Traum von einer besseren Zukunft, einer besseren Welt zu verwirklichen. Er war einer der wenigen Menschen, deren Zahl konstant abnahm -, die noch den Mumm hatten, sich der Entropie zu widersetzen. Die Soldaten der Zivilisation, die auf der Seite der Hoffnung stritten, waren bereits zu wenige, um noch ein zufriedenstellendes Heer zu bilden. Jack und Luther rückten ihre Halfter zurecht und folgten Arkadian vorbei an den Getränkeautomaten. Der Mann in dem Anzug von Armani stand am zweiten Automaten und studierte die Getränkeauswahl. Er war etwa in Jacks Alter, groß, blond, glattrasiert und hatte eine goldbronzene Hautfarbe, die er sich zu dieser Jahreszeit hier in der Gegend nur unter einer Sonnenbank erworben haben konnte. Als sie an ihm vorbeigingen, holte er gerade eine Handvoll Münzen aus einer Tasche seiner weiten Hosen und suchte sie nach der richtigen ab. Draußen bei den Zapfsäulen reinigte der Angestellte die Windschutzscheibe des Lexus, obwohl der Wagen blitzblank gewesen war, als er auf die Tankstelle gefahren war. Arkadian blieb an der Panzerglasscheibe stehen, die die Hälfte der vorderen Wand des Büros der Tankstelle beanspruchte.
    »Straßenkunst«, sagte er leise und traurig, als Jack und Luther zu ihm traten.
    »Nur ein Narr würde etwas anderes als Vandalismus dazu sagen. Die Barbaren laufen frei herum.«
    In letzter Zeit hatten einige Vandalen ihre Spraydosen gegen Schablonen und Säurepasten eingetauscht. Sie ätzten ihre Symbole und Sprüche auf das Glas geparkter Wagen und die Schaufenster von Geschäften, die des Nachts nicht von Sicherheitsschlagläden geschützt wurden. Arkadians Panzerglasscheibe war für immer von einem halben Dutzend persönlicher Beleidigungen entweiht worden, die Mitglieder derselben Gang eingeätzt hatten, manche davon zwei- oder dreimal. Mit zehn Zentimeter hohen Buchstaben hatten sie auch eine Drohung eingeätzt:
    DAS BLUTBAD STEHT BEVOR.
    Diese asozialen Akte erinnerten Jack oft an ein Ereignis im Nazideutschland, von dem er einmal gelesen hatte. Noch vor Kriegsanfang waren psychopathische Schläger in einer langen Nacht, der Reichskristallnacht, durch die Straßen gezogen, hatten Wände mit haßerfüllten Worten beschmiert und Scheiben von Häusern und Geschäften eingeschlagen, die Juden gehörten, bis die Straßen funkelten, als wären sie mit Kristall gepflastert. Manchmal hatte es für ihn den Anschein, daß die Barbaren, auf die Arkadian sich bezog, die neuen Faschisten waren, die diesmal von beiden Enden des politischen Spektrums kamen und nicht nur die Juden haßten, sondern jeden, der seinen Platz in der sozialen Ordnung und Höflichkeit gefunden
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