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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Mord wäre hilfreich.«
    »Wie kalt war es heute Nacht?«, wandte sich Myriam an Dr. Veit.
    »Mindestens zwölf Grad unter null. Aber dass es so schnell ging, ist einfach zu erklären.« Er bückte sich, um die Leiche, so gut es ging, anzuheben. »Unter ihr hat sich eine Eisplatte gebildet. Sonst findet sich das nirgends auf der Terrasse.«
    »Was bedeutet das?« Myriam begriff nicht.
    »Der Täter oder die Täterin hat die Frau mit Wasser übergossen. Dadurch kühlte sie natürlich rasant aus.«
    Auch das Schweigen, das jetzt einsetzte, war kalt. Myriam versuchte trotz des Schocks, ihre Körpertemperatur stabil zu halten, indem sie zitterte.
    »Eine hübsche Methode«, sagte Veit schließlich, »um eine alte Frau zu ermorden.«
    Wie hatte Liebler es formuliert? Da ist irgendeine Geschichte gelaufen. Sie war geneigt, ihm recht zu geben. Irgendetwas stimmte hier nicht. Kein Einbrecher, der auf Geld aus war, beging so eine Tat. Einbrecher waren gierig, aber feige. Wollten den Tatort so schnell wie möglich verlassen. Hier hatte jemand eine alte Frau bei Eiseskälte mit Wasser übergossen. Das hatte etwas von Sadismus und Genuss.
    Jeder bekommt den Tod, den er verdient, hatte einmal ein Angeklagter zu ihr gesagt und getreu dieser Aussage seiner Frau heißes Wachs in die Augen gegossen, weil er, blind vor Liebe, nicht bemerkt hatte, dass sie ihn seit Jahren betrog.
    Warum hatte der Täter Henriette Winkler erfrieren lassen?
    »Offenbar hat der Täter einen Hang zum Sadismus«, bemerkte Liebler ungerührt. Konnte ihn nichts aus der Fassung bringen?
    »Jemand, den sie kannte?«, überlegte Myriam »Wie ist das, hat sie ihn selbst ins Haus gelassen?«
    »Laut Spurensicherung müssen wir davon ausgehen.«
    »Er muss sie sehr gehasst haben. Eine alte Frau?«
    »Liebe«, philosophierte Liebler und warf ihr einen amüsierten Blick zu, »wird vielleicht mit den Jahren schwächer, aber nicht der Hass.«
    Er hatte einen Hang zu kurzen Weisheiten. Leider fiel Myriam keine ironische Antwort ein, stattdessen konzentrierte sie sich wieder auf die Tote.
    »Wurde die Familie benachrichtigt?«
    »Niemand zu erreichen. Ich habe in der Firma angerufen. Ihr Sohn, Carl Winkler, ist in Berlin, sein Schwiegersohn in Hongkong und seine Tochter, Denise Winkler, nicht zu erreichen. Da läuft nur der Anrufbeantworter.«
    Nicht irgendeine Leiche, sondern jemand, den sie kannte, wenn auch nur flüchtig. Myriam hatte Denise seit Jahren nicht mehr gesehen, doch von Sarah, ihrer Schwester, gehört, dass sie geheiratet, ein Kind bekommen hatte. Ob es sich um einen Sohn oder eine Tochter handelte, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern.
    Liebler schaute auf seine Armbanduhr. »Ich hatte vor, Hannah Roosen, die Psychologin aus dem Vermisstendezer
    nat, zu Denise Winkler mitzunehmen.«
    »Nein, ich begleite Sie.«
    »Nicht gerade eine schöne Gelegenheit, um sich wiederzusehen.«
    Myriam zuckte anstelle einer Antwort mit den Achseln.
    »Es fällt auch nicht gerade in Ihre Kompetenz.«
    »Ehrlich gesagt«, erwiderte Myriam, »ist mir das scheißegal.« Sie wandte sich Richtung Wohnzimmer. Draußen auf der Terrasse war es verdammt kalt.
    »Das Telefon«, rief Liebler ihr hinterher.
    »Was?«
    »Ihr Handy!«
    Sie schaffte es gerade noch, auf den grünen Hörer zu drücken, bevor die Mailbox sich meldete.
    »Singer.«
    Kindergeschrei am anderen Ende.
    »Hallo!«, wiederholte Myriam ungeduldig.
    »Ich bin’s.«
    Sarah, fünf Jahre älter, war mit Bernhard verheiratet, dem dünnen, schmallippigen Direktor der Leibnizschule in Höchst. Zwischen 1995 und 2000 hatte sie drei Kinder zur Welt gebracht. Robin, Raffael und Vera.
    Das Geschrei am anderen Ende der Leitung steigerte sich. Es war ganz offensichtlich Vera. Das Aussehen eines Engels, bei gleichzeitigem Verdacht auf Hyperaktivität.
    »Myriam, bist du es? Ich habe heute bei dieser Organisation angerufen. Du weißt schon … Nein, Vera, du kannst jetzt nicht mit Myriam telefonieren.«
    »Und?«
    »Moment, ich muss schnell erst mal … ja, Mami kommt gleich.«
    Mit einer Mutter zu telefonieren, war ebenso sinnlos wie der Versuch, einen resistenten Angeklagten zu einem Geständnis zu bewegen.
    »Wir können innerhalb von drei Tagen eine polnische Pflegekraft bekommen«, meldete sich Sarah wieder. »Mit Geldrückgabegarantie, wenn es nicht funktioniert.«
    »Aber nicht illegal. Wenn das herauskäme.«
    »Vera, lass die Vase in Ruhe!«
    Myriam hörte im Hintergrund, wie etwas zerbrach. Dann ein zweifacher
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