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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht
Autoren: Melina Marchetta
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sie in die Hand des Kindes. Auf der Erde neben dem Grab lag ein Häufchen Samen. Als er sie auf dem Erdhügel verteilte, spürte er kleine Finger, die sich auf seine legten.
    „Genau so ist es richtig“, sagte Vestie und klopfte auf seine Hand. „Dann gehen sie gut auf.“

Kapitel 30

    I n dieser Nacht träumte Finnikin von den Felsen, dass er den Rest seines Lebens dem Königshaus von Lumatere opfern würde. Die Botschaft erreichte ihn in einem Traum von Balthasar und seinen Schwestern, während er in der Hütte der königlichen Yata in den Bergen schlief. Die Yata schien am nächsten Morgen nicht sehr überrascht zu sein. „Sie besuchen mich oft“, sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe. „Es ist Zeit für dich, nach Hause zu gehen. Du gehörst nicht in diese Berge. Du gehörst an einen anderen Ort.“
    Vor fünf Tagen war er aus Sarnak zurückgekehrt und war zu den Monts gereist. Er war in den Bergen geblieben, hatte die Volkszählung beendet und Handelsabkommen mit einigen Nachbarkönigreichen in die Wege geleitet. Als er die Hütte der Yata an diesem Morgen verließ, wusste er, dass ein Abschnitt seines Lebens vorüber war. Welchen Weg er von nun an auch einschlagen würde, der Schmerz der unerfüllten Träume würde ihn immer begleiten. Für einen Moment bedauerte er es, niemals mit Trevanion eine Hütte am Fluss bauen zu können. Oder das Leben eines einfachen Bauern zu führen. Oder durch das Königreich zu reisen und das Nomadenleben zu genießen, an das er sich so gewöhnt hatte. Dass er niemals zugleich Finnikin von den Felsen und aus den Bergen, Finnikin aus dem Flussland, dem Tiefland und den Wäldern sein konnt e – und gleichzeitig Finnikin von nirgendwo.
    Aber er wusste auch, dass jeder Tag seines Lebens eine Qual sein würde, wenn er die Königin an einen anderen Mann verlor.
    Lucian wanderte mit ihm den Berg hinab. „Ich werde sie heute Abend treffen“, sagte Lucian, „wenn wir ihre Rückkehr in den Palast feiern.“
    Finnikin gab keine Antwort.
    „Sie findet es schrecklich, dass alle, die sie liebt, zusammenkommen und sie sich trotzdem so jämmerlich einsam fühlt. Ich hätte ihr sagen können, dass du dich auch in einen jämmerlichen Bastard verwandelt hast. Stattdessen erzählte ich ihr, wie viel Zeit du in den Archiven verbracht hast, um mit deiner Schreiberin zu tändeln, deiner lieblichen, duldsamen Schreiberin, die dich unter ihre Fittiche genommen hat.“
    Finnikin schüttelte amüsiert den Kopf.
    „Ich glaube, sie war eifersüchtig“, fuhr Lucian fort und winkte einer Mont-Familie zu, die sich weiter unten in Richtung Tal angesiedelt hatte. „Sie drohte, mich einen Kopf kürzer zu machen, wenn ich noch ein einziges Wort sagte.“
    „In Lumatere wird niemand geköpft“, sagte Finnikin trocken.
    „Oh, Finnikin, hier tun wir alles, was die Königin verlangt.“
    Am Fuß des Berges umarmte Lucian seinen Freund und überreichte ihm ein Bündel. „Die Yata möchte, dass du dies Lady Beatriss aus dem Tiefland überbringst. Schaffst du es noch vor dem Fest, sie zu besuchen?“
    Fest!, dachte Finnikin bitter. Es würde noch lange dauern, bis das Volk von Lumatere sich wieder daran erinnern würde, wie man Feste feiert.
    Finnikin klopfte mit dem Bündel unter dem Arm an die Eingangstür des Gutshauses in Sennington. Als er keine Antwort erhielt, trat er ein und lief zur Küche.
    „Finnikin?“, hörte er Lady Beatriss rufen, ihre Stimme klang herzlich.
    Er blieb auf der Türschwelle stehen, weil er Tesadora neben dem Herd sah. Sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt und blickte ihm missbilligend und feindselig entgegen. Lady Beatriss saß mit Lady Abian am Tisch.
    „Entschuldigung“, murmelte er und ärgerte sich, dass er einen so ungünstigen Zeitpunkt erwischt hatte. „Die Yata der Monts bat mich, Euch dieses Bündel zu geben.“ Er legte es auf den Tisch, während die drei Frauen ihn anblickten.
    „Bleib“, sagte Lady Beatriss. „Trink einen Tee mit uns. Du musst erschöpft sein von deinen vielen Reisen und eine Ruhepause vor dem heutigen Abend wird dir guttun.“
    „Du siehst furchtbar aus“, sagte Tesadora spitz.
    Er fuhr sich verlegen durch das Haar, das ihm wie verfilzte Lammwolle vom Kopf abstand. Der Yata war es gelungen, diese Wolle zu flechten, obwohl sie die verklebten Stränge kaum hatte voneinander trennen können. Das einstige Rot hatte sich in ein schmutziges Grau verwandelt.
    „Ich werde mich morgen darum kümmern“, erwiderte er
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